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18. Phnom Penh – Krawatten und andere Absurditäten!

Peace Memorial in Phnom Penh

Peace Memorial in Phnom Penh

Seit Beginn des Jahres verdingt sich die 1 Mann Redaktion, unseres kleinen aber feinen dadaistischen Kulturkanals, in Phnom Penh als Englischlehrer. Nach der anstrengenden Überlandreise von Germany nach Uganda, sollte dem spannenden Buch mit dem Titel Leben, ein neues Kapitel hinzugefügt werden. Eines mit festem Wohnsitz…

Aus dem unübersichtlichen Dschungel der über 120 Privatschulen und Universitäten in der kambodschanischen Capitale, hat sich der Zufall für das Beltei International Institute entschieden. Eine profitorientierte 20.000 Schüler zählende Bildungsfabrik, mit 11 Zweigstellen und angeschlossener Universität. Rund tausend Lehrer verdienen hier ihr täglich Brot. Ca. 70 davon, inklusiver meiner selbst sind sogenannte Barangs, d.h. Ausländer. Kurz gesprochen, die kambodschanischen Lehrer sind für die Grammatik und das Schreiben zuständig und wir Barangs haben die Aufgabe den Schülern das Sprechen und Verstehen beizubringen!

Der Kambodschaner lebt vor allem nach außen. Die Familie bildet sein Zentrum. Individualität ist eher verpönt, gilt sogar als sonderbar. Repräsentation ist wichtig. Was die anderen denken, ist für den Kambodschaner von allergrößter Bedeutung. Ein Gesichtsverlust ist unverzeihlich, zur Not lieber lügen bis sich die Balken biegen. Und wenn sich die Balken nicht mehr biegen lassen, war oder ist man einfach krank. Wenn man so will, bedeutet krank sein auf Khmer, der Sprache Kambodschas: Bitte nicht weiter fragen!

Olympic-Stadium

Olympic-Stadium; fertiggestellt  im Jahre 1964. Großer Komplex mit Fußballstadion, Tennisplätzen etc. Hier absolviert unser Autor 2-3 Einheiten die Woche, um das älter werdende Material fitzuhalten und vorzubereitet zu sein für seine nächste Mission. Überland von Sanaa nach Windhoek…

In Kambodscha bleibt ein Schüler nicht sitzen, auch wenn er absolut nichts kann. Er würde dann nämlich sein Gesicht verlieren. Der Lehrer übrigens auch, weil er den Schüler hat durchfallen lassen. Die Schule verliert dabei nicht nur Gesicht und Reputation, sondern auch Geld. Man hat sich insofern Informel auf folgende Lösung geeinigt. Ein halbwegs guter Schüler bekommt volle Punktzahl, wer nichts kann, knapp darunter! Zertifikate und Auszeichnungen sind dementsprechend im kambodschanischen Bildungssystem von allergrößter Bedeutung. Der Schein ist Wirklichkeit – der Inhalt reine Nebensache. Am Beltei Institut gibt es quasi als besonderes Leckerli obendrein, am Anfang des Monats in jeder Klasse eine Urkunde für den sogenannten Studenten des Monats (the outstanding student), das ganze natürlich mit einem Foto und ordentlich Trommelwirbel. Das kann sich dann die Familie des Schülers ins Wohnzimmer hängen und den Verwandten zeigen.

Kambodscha ist aber nicht nur bezüglich des Bildungssystems ein großes nach außen hin funktionierendes korruptes Kollektiv, sondern auch ein Land, in dem so mancher Polizist der offiziell kaum $100 im Monat verdient, eine neue Mercedes S Klasse fährt. Natürlich fragt niemand warum, denn man möchte ja nicht, dass der korrupte Polizist sein Gesicht verliert. Klasse Konzept?! Kambodscha lag 2011 auf Platz 164, des Korruptionsindex von 182 erfassten Ländern. Und ich muss aufgrund dieses notorischen Gesichtswahrungswahnsinns, dauergrinsende Schüler bei Laune halten, die in fortgeschrittenen Klassen noch nicht mal ihren Namen buchstabieren können…

Independence Monument

Independence Monument, erbaut 1958 als Zeichen der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahre 1954

Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mir eine Krawatte gekauft. Die Kleiderordnung meines Sprachinstituts wollte dies so. Zähneknirschend ist es eine schwarze lange Dünne, aus Kunstleder geworden. So wie sie von Jake & Elwood Blues 1980 in Landis Komödie The Blues Brothers getragen wurde. Mit dem weißen Hemd und der schwarzen Hose, meinen schwarzen glänzenden Arschfickerschuhen (vor denen jeder Türke in Berlin/Neukölln vor Neid erblassen würde), sehe ich aus wie eine Mischung aus einem Kleinganoven in Tarantinos Reservoir Dogs und einem mormonischem Wanderprediger aus Utah. Wenn ich morgens verschwitzt mit meinem Fahrrad in der Beltei International Tiefgarage anlege, und mir hektisch das schwarze Stück Kunstleder im Spiegel einer Honda Dream oder Daelim um den Hals binde, fühle ich mich wie eine Prostituierte die sich vor der Arbeit langsam die Reisverschlüsse an ihren Lederstiefeln hochzieht!

Ich hasse diese kleinen Würger. Welcher Dussel hat eigentlich die Krawatte erfunden? Ein Stück Stoff, dass völlig sinnlos am Oberkörper herumbaumelt. In welchem man sich verheddern kann und welches einem die Luft zum Atmen nimmt!


2 Kommentare

  1. Pete sagt:

    Abgelegtes „Teachers Equipment“ – super Foto. Und jetzt bitte bitte mal angelegt! Ich muss das sehen, Mr. Pink!

  2. DerBiertrinkendeVeggie sagt:

    Bitte nicht weiterfragen! Das ist treffend. Nun weiß ich, warum ich auf von mir geäußerte Fragen oft nur ein stummes Gesicht oder ein Gesicht wahrendes Lächeln als Antwort bekomme!!!

    Suasdei from Bärlin

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