Subkultur und Protest

Magisterarbeit an der Universität Lüneburg
Fachbereich: Angewandte Kulturwissenschaften

Subkultur als ästhetische Proteststrategie:
Eine kulturtheoretische Betrachtung am Beispiel Punk


„Ich bin an allem über Revolte, Unordnung, Chaos, besonders Aktivitäten interessiert, die keinen Sinn zu haben scheinen. Das scheint mir der Weg zur Freiheit.“
(Jim Morrison)


Kultur ist „[…] die Ebene auf der soziale Gruppen deutlich unterscheidbare Lebensformen entwickeln und ihren gesellschaftlichen und materiellen Erfahrungen eine ausdrucksvolle Form verleihen.“ (Stuart Hall)

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung    5
1.1 Gegenstand, Ziel und Vorgehensweise    7
1.1.2 Übersicht    10
1.2 Subkultur und Widerstand    11
1.2.1 Zur Geschichte der Subkultur    13
2 (Jugend)subkultur als soziologisches Konzept    17
2.1 Zum Begriff der Subkultur    20
2.1.1 Subkultur und Klassenkultur    23
2.1.2 Die Funktion von Subkultur    25
2.2 Die historischen Wurzeln von Subkultur    28
2.2.1 Subkultur und ihre Beziehungen zur schwarzen Kultur    30
2.3 Zur Theorie von Herrschaft: Keine Subkultur ohne Vorherrschaft    32
2.3.1 Zum Ideologiebegriff Althussers    34
2.3.2 Zur Kultur-Hegemonie-Theorie von Gramsci    36
3 Protest und Widerstand am Beispiel Punk    39
3.1 Die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse in England um 1975    41
4 Zur Ästhetik der Subkultur    45
4.1 Die Bedeutung von Stil    46
4.1.1 Die Produktion von Stil am Beispiel der Bricolage    48
4.1.2 Stil als symbolische Kritik    51
4.2 Zur kulturellen Konzeption von Punk    53
4.2.1 Zum Stil des Punk    58
4.2.2 Punk und seine Symbolik    60
5 Popmusik in gegenkulturellen Zusammenhängen    64
5.1 Zu den musikalischen Verhältnissen Mitte der 70er Jahre    65
5.1.1 Die ästhetische Strategie des Punkrock    67
5.2 Widerstand durch Autonomie    71
6 Exkurs: Punk und seine historischen Verbindungen zur künstlerischen
Avantgarde der Moderne    75
6.1 Punk als antikulturelles Projekt    77
6.2 Geschichtliche Zustandsbeschreibung des Dadaismus    80
6.2.1 Zur geistigen Verwandtschaft von Dada und Punk    82
6.3 Der Situationismus als Impulsgeber des Punk    86
6.3.1 Zur Theorie des Situationismus    90
6.3.2 Zu den ideologischen Verbindungen zwischen Punk und dem Situationismus    95
7 Subkulturen im Kontext medialer Prozesse    99
7.1 Punk und die Medien    101
7.1.1 Der Prozeß der Wiedereingliederung von Subkulturen am Beispiel der Medien    104
7.1.2 Zur Vereinnahmung von Subkulturen durch die Warenindustrie    106
8 Schlußbemerkungen    108
Literaturverzeichnis    113
Eidesstattliche Erklärung    123

1 Einleitung

„Es ist die aktive Minderheit, es sind die Experimentierer, die Verächter der Konventionen, in der Großstadt genauso wie in der Kleinstadt und auf dem Land, die einer Generation Tempo und Richtung geben.“

Die erste Bewegung, die ein alternatives Gegenmodell zur dominanten, umfassenden Kultur formulierte, war die sogenannte Beat-Generation der 50er Jahre in den USA. Die Beat-Generation gilt heute auch als die erste auffälligere Subkultur, die den Materialismus und die Manipulation der zivilisierten Gesellschaft kritisierte. In ihrer Literatur forderte sie ein Leben außerhalb des vorherrschenden Regelsystems, ein Leben, das nicht nur im Kopf stattfinden sollte, sondern auch gelebt werden wollte: „Don’t dream it – be it.“ Die Beats waren aber nur die Vorhut einer ganzen Reihe von jugendlichen Subkulturen. Ihre Kritik und Protestelemente wurden in der Folgezeit von verschiedensten Jugend-Bewegungen, vor allem in den 60er und 70er Jahren, auf unterschiedlichste Art und Weise adaptiert, modifiziert und weiterentwickelt. Im Unterschied zu den Nachkriegssubkulturen scheinen sich jedoch zeitgenössischere Jugendbewegungen, wie z.B. die Techno-Ravekultur der 90er Jahre, anders zu verhalten. Was nicht heißen soll, daß sie nicht wie ihre Vorgänger auf spezifische soziale Gegebenheiten reagieren. Anders aber als ihre Vorläufer hat die Technobewegung weder einen Konflikt ausgetragen, noch die gesellschaftliche Ordnung in irgendeiner Art und Weise in Frage gestellt. Dieses Phänomen ist sicherlich nicht zuletzt eng verknüpft mit dem Tatbestand, daß es in der heutigen Zeit scheinbar keine auffällig-spektakulären Tabus mehr zu durchbrechen gibt. Als neue Form der Subkultur knüpft die hedonistische Technokultur keine dissidenten Lebensentwürfe mehr mit der eigenen Lebens- und Kulturpraxis: „Spaß und Erlebnis lautet das Primat, und zu dessen Erleben wird die Ravergemeinde selbst zur Leistungsgesellschaft, die zu chemischen Substanzen greift, um den körperlichen Abforderungen zu entsprechen.“

Seit einigen Jahren ist ein neu erwachtes Interesse an postmoderner Kultur und Theorie zu beobachten. Dieser ‚Hype des Kulturellen‘ spiegelt sich in poptheoretischen Medieninstitutionen (Spex, Texte zur Kunst), Lifestyle-Magazinen, dem bürgerlichen Feuilleton sowie in zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen wider. Besonders die postmoderne Theorie, in der Kultur als Feld betrachtet wird, auf dem die Auseinandersetzungen um soziale, politische und ökonomische Hegemonie ausgefochten werden, hat in der veröffentlichten Meinung eine neue Bedeutung erhalten. Dieses neue Interesse an einem kulturtheoretischen Diskurs ist vor allem mit einer neuen Aufwertung der (Jugend)subkulturen verbunden. Zwei weitere Begriffe, die oft im Kontext der Subkultur diskutiert werden, erhalten in den 90er Jahren ebenfalls eine besondere Aufmerksamkeit: Die Popkultur und die umfassendere Populärkultur. Ähnlich wie die Subkultur haben beide Begriffe ihren Ursprung in der Arbeiterklasse und entstanden aus einer bestimmten gesellschaftlichen und ökonomischen Situation heraus. Popkultur und die Populärkultur sind immer ein Resultat dessen, was im kulturellen Underground geschieht. Die Popkultur bedient sich der Subkultur, entdeckt in ihr, euphemistisch gesprochen, neue Impulse. Gleichzeitig raubt sie der Subkultur ihr dissidentes Potential und ihre Einzigartigkeit: „Die Subkultur geht in die Popkultur ein durch deren Bedarf an Neuerungen. Popkultur muss sich als etwas ständig neues definieren, und die Subkultur liefert mittels ihres dissidenten Verhältnisses zum Mainstream das Material dafür.“

Ein Rückblick auf die Kulturgeschichte zeigt, daß dort, wo Neues entsteht bzw. verhandelt, erprobt und propagiert wird, immer wieder subversiv agierende Gruppen das tragende Geflecht für innovative Aufbrüche in modernen Gesellschaften bilden. Die Liste solcher subversiv auftretenden Phänomene ist lang. Sie reicht über verschiedene Literatur- und Kunstbewegungen bis zu den rebellischen Jugendsubkulturen. Während die künstlerisch ambitionierten Gruppen ihre Ideale, Positionen und Strategien meist durch Programme und Manifeste zum Ausdruck brachten – so z.B. der Dadaismus und Futurismus – entwickelten die jugendlichen Subkulturen ihre Strategien, Codes und Rituale eher informell – vor allem auf der ästhetischen Ebene des Stils. Begriffe wie Subkultur, Massenkultur, Populärkultur, aber auch soziologische Schlagwörter wie sozialer Wandel, stehen insofern in einem bestimmten Verhältnis zueinander. In diesem Kontext erhält auch der Begriff der Ästhetik eine neue Aufwertung. Die Ästhetik der Subkultur, die in den wissenschaftlichen Diskurs der 70er Jahre Einzug hielt, durchlebt spätestens seit den 90er Jahren in der Sozial-Philosophie aber auch in der zeitgenössischen Popliteratur eine erneute Renaissance: Dies resultiert jedoch nicht, so Behrens, „[…] allein aus einem allgemeinen Interesse an Ästhetik, sondern weil die gesellschaftliche, im breiten Rahmen verortbare Ästhetisierung in nicht unwesentlichen Bereichen als von Subkulturen hervorgebracht und transportiert erscheint.“

1.1 Gegenstand, Ziel und Vorgehensweise

„Eine Geste ist nur dann provokant, wenn sie sich auf einen Kontext bezieht, in dem eben genau diese Geste mit Tabus belegt ist.“

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich in Form eines kulturtheoretischen Diskurses mit der Bedeutung von jugendlicher Subkultur. Eine besondere Gewichtung erhält dabei das Protest- und Widerstandspotential, das von den Subkulturen ausgeht. Unter dem Blickwinkel ihrer gesellschaftlichen Relevanz verstehe ich Subkulturen als subversive Formationen, die mittels ästhetischer Strategien bestimmte Formen von Opposition artikulieren. Der Begriff Subversion muß in diesem Kontext als ein verdeckter Angriff definiert werden, der verschiedene dissidente und künstlerische Strategien implizieren kann: „In Relation gesetzt, kann sich Subversion in zwei Richtungen bewegen. Zum einen gegen die Gesellschaft, zum anderen gegen die Kunst oder gegen das, was als etablierte Kunstauffassung zersetzt werden soll. Ihr Auftreten ist verschlüsselt und vermeidet unmittelbare Sinnstiftung, um sich so vor Vereinnahmung wirkungsvoll zu schützen. Der Prozeß ihrer Infiltration wird zumeist erst über einen längeren Zeitraum wirksam bzw. sichtbar.“

Subkultureller Protest richtet sich zunächst gegen die herrschende Kultur (die Kultur, welche die offiziellen Medien, Bildungs- und Erziehungsinstitutionen besetzen) und muß auch in diesem Kontext analysiert und befragt werden. Die herrschende Kultur bildet das wichtigste Medium für die Entstehung von Subkultur: Sie stellt nicht nur die Angriffsfläche und ist damit Antrieb von Protest und Widerstand, sondern versorgt die Subkultur darüber hinaus mit den notwendigen kulturellen Waren (die bereits mit den Bedeutungen der dominanten Kultur versehen sind) und Symbolen. Des weiteren stehen Subkulturen in enger Beziehung zur Klassen- bzw. Stammkultur, mit der sie die gleichen prägenden Erfahrungen teilen. Subkulturen müssen dementsprechend als Subsysteme dieser beiden großen kulturellen Konfigurationen begriffen werden. Die konstituierenden Elemente der Subkultur, die herrschende Kultur als auch die Stammkultur, bilden im folgenden den theoretischen Bezugsrahmen dieser Arbeit.

Die Idee von subkulturellem Protest und Widerstand soll nach einer umfassenden kulturtheoretischen Einführung am Beispiel des Punk thematisiert werden. Genauer gesagt, anhand seiner zentralen Inhalte und Symbolik. Bei dem Phänomen Punk beschränke ich mich auf die Ausformung, die sich zwischen 1976 und 1978 in England herauskristallisierte. Dies ist auch der Stil, mit dem Punk heute gemeinhin assoziiert wird, symbolisiert durch die englische Gruppe The Sex Pistols. D.h., Punk wird bezüglich seiner Wesensmerkmale insbesondere mit den Sex Pistols gleichgesetzt, während Gruppen wie The Clash oder The Stranglers eher dem erweiterten Punkbegriff zuzuordnen sind: „Als singuläres kulturelles Ereignis betrachtet, läßt sich Punk-Rock am ehesten gleichsetzen mit dem Erscheinen und Verschwinden der archetypischen aller Punk-Bands: den Sex Pistols.“ An anderer Stelle heist es: „They, in effect, occupied a different territory, lived somewhere else; […] The Pistols seem most vividly to embody everything that we now associate with punk.“

Der Schwerpunkt dieser Arbeit bezieht sich, wie dem Titel zu entnehmen ist, vor allem auf den Terminus »Subkultur als ästhetische Proteststrategie«. Die Subkultur des Punk dient insofern nur als Mittel, um diese Frage kulturtheoretisch zu erschließen. Um das Thema angemessen (aber auch für den Leser verständlicher) bearbeiten zu können, halte ich es zunächst für erforderlich, auf kulturelle und ästhetische Besonderheiten anderer Subkulturen zu verweisen. Dies ergibt sich aus der Notwendigkeit, historische und kulturelle Entwicklungen aufzuzeigen sowie die spezifischen Merkmale von subkulturellem Protest deutlich zu machen. Aus der Fülle der Literatur, die zum Thema Jugend- und Subkultur vorliegt, betrachte ich die theoretischen Arbeiten des Birminghamer Centre for Contemporary Cultural Studies (im folgenden CCCS) als maßgebend und exemplarisch. Unter diesen Veröffentlichungen ist besonders das im Kontext der National Deviancy Conference (NDC) vom CCCS durchgeführte Projekt Resistance through Rituals unter der Leitung von Stuart Hall und Subculture – the Meaning of Style von Dick Hebdige als Grundlage dieser Arbeit relevant. Erst durch die Wissenschaftler des CCCS wurde der Klassenbegriff und die Bedeutung von Stil in der Subkulturforschung ernst genommen. Die wahrscheinlich größte Leistung des CCCS besteht jedoch darin, daß unter Bezug auf Gramscis Theorie der Hegemonie die Bedeutung von Kultur für Herrschaft, gesellschaftliche Reproduktion und Veränderung gesehen wurde. Die Arbeiten bilden eine Zäsur und werden bis heute in der Wissenschaft breit rezipiert. Festzuhalten bleibt, daß sich die Analysen des CCCS vor allem auf Subkulturen der Arbeiterklasse in England beziehen. Ergänzen möchte ich die Ansätze des CCCS unter anderem durch theoretische Positionen der Soziologen Mike Brake und Rolf Schwendter. Differenzen ergeben sich allerdings aus einer unterschiedlichen Perspektive und aus dem Geist einer anderen Zeit, in der diese Arbeiten entstanden sind. Vor allem Schwendters Theorie der Subkultur (1970) ist geprägt von der 68er Zeit und der Studentenbewegung. Ferner bleibt die theoretische Auseinandersetzung zwischen Subkulturen und dominanter Kultur bei Schwendtner unvollständig, was er in der Nachfolgeausgabe im Nachwort zugesteht.

1.1.2 Übersicht

Die Hauptpunkte der Arbeit sind damit im wesentlichen schon angesprochen. Das erste Kapitel legt als Einführung in das zu behandelnde Thema Anliegen und Vorgehensweise der Arbeit fest. Zudem werden die wichtigsten klassischen Nachkriegssubkulturen anhand ihrer spezifischen Merkmale vorgestellt. Das zweite Kapitel bildet den theoretischen Bezugsrahmen dieser Arbeit und soll als Einstieg neben den historischen Voraussetzungen der Subkultur als Teilkultur einen Überblick über die konzeptionelle Entwicklung und Definition des Subkulturbegriffs (so wie er in dieser Arbeit verwendet wird) verschaffen. Darüber hinaus sollen in diesem Abschnitt die Idee und Funktion der herrschenden Kultur gegen die sich subkultureller Protest wendet, am Beispiel von Althusser und Gramsci näher erörtert werden. Mit dem dritten Kapitel beginnt die spezifische Durchführung des Themas, indem ich versuche, die Idee von Protest und Widerstand am Beispiel des Punk zu verifizieren. Das vierte Kapitel beschäftigt sich näher mit dem Stil der Subkultur als Ort, an dem Protest gegen die dominante Kultur kommuniziert wird. Vorweggenommen sei bereits hier, daß subkultureller Stil im Sinne der Cultural Studies als etwas Umfassendes, Homogenes, alle Lebensbereiche durchdringendes definiert wird. Das fünfte Kapitel vertieft die Idee von subkulturellem Protest am Beispiel des Punkrock. Ferner wird der Autonomiegedanke im Punk vorgestellt, der auch deutlich die Organisationsstrukturen der anfänglichen Bewegung prägte. Im sechsten Kapitel unternehme ich in Form eines Exkurses den Versuch, ästhetische und ideologische Verbindungen zwischen dem Punk und der klassischen Avantgarde herzustellen, um die Idee von subkulturellem Protest historisch zu verorten. Das siebte und abschließende Kapitel knüpft wieder an das Hegemonie-Konzept Gramscis an, indem hier der Frage nachgegangen wird, mit welchen Strategien die herrschende Kultur subkulturelle Phänomene für ihre Zwecke vereinnahmt.

1.2 Subkultur und Widerstand

„Subkultur ist Lärm, ist Widerstand. Subkultur ist eine Stellungsnahme und ein Lösungsversuch.“

In welchem Sinne Widerstand zu verstehen ist, möchte ich zunächst anhand des folgenden Zitats verdeutlichen: „Die Unterschiedlichkeit von Widerstand gestaltet sich so vielfältig wie die Organisation von Lebenszusammenhängen unter Herrschaftsgebilden rund um den Globus. Er beinhaltet neben allen praktischen (unter Umständen gewalttätig verlaufenden) Formen auch die symbolischen Formen.“ Widerstand läßt sich somit, vereinfacht gesprochen, in zwei Kategorien einteilen: In mittelbaren und unmittelbaren Widerstand. Während mittelbarer Widerstand in der Regel einen praktischen Akt beschreibt, wird unmittelbarer Widerstand in subversiven Formen gedacht, indem er das Bestehende infiltriert. Allgemein gesprochen beinhaltet jede kulturelle Handlung, die ein ‚Nichteinverstandensein‘ mit den herrschenden Verhältnissen signalisiert, eine Form von Widerstand. Subkulturen bringen Devianz, Protest und Widerstand auf verschiedenste Art und Weise zum Ausdruck. Insofern sind auch die ästhetischen Strategien, mit denen sie ihre Haltungen und Ideen kommunizieren, unterschiedlich ausgerichtet. Die Palette subkultureller Strategien reicht von künstlerisch-ästhetischer Praxis über spielerische Subversion bis hin zur aggressiven Dekonstruktion gesellschaftlicher Norm. Dies ist vor allem bei Punk der Fall, wie noch aufzuzeigen sein wird. Nicht zuletzt sind viele dieser subversiven Strategien mit dem Ziel behaftet, die verschiedenen Unterdrückungskategorien der dominanten Kultur aufzulösen.

In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals darauf verweisen, daß subkulturelle Praxis in der Regel informellen Charakter besitzt: Liesegang verweist in bezug auf Diederichsen darauf, daß die meisten Jugend-Subkulturen in der Regel ‚äußerst diffuse Terrains‘ mit unterschiedlichen Handlungs- und Wertesystemen darstellen. Zudem leiten sich diese Regelsysteme weniger aus einer kollektiven rationalen Überlegung ab, sondern entwickeln sich vielmehr unbewußt. Subkulturen können ferner nicht unmittelbar mit politischen Konzepten gleichgesetzt werden, auch wenn einige Subkulturen in ihrer Haltung politischer sein mögen als andere: „Subkulturen stehen abseits des gesellschaftlichen Mainstreams, sie existieren oft relativ abgekoppelt von oder in Opposition zur Dominanzkultur. Dieser Position jedoch zwangsläufig einen politischen Anspruch oder ein gesellschaftliches Gegenkonzept zu unterstellen, wäre ein falscher Ansatz.“ Dennoch denke ich, daß Aussagen bzw. in diesem Fall auch Musik-Titel wie Anarchy in the U.K und God save the Queen durchaus als politische Stellungnahmen betrachtet werden müssen, ganz im Sinne des folgenen Zitates: „Punk hatte einen politischen Gehalt, aber im Grunde war er keine politische Bewegung.“ Subkulturen und damit auch Punk müssen insofern – schon allein aufgrund ihrer oft widersprüchlichen und diffusen Ausdifferenzierung – anders verstanden werden, nämlich als Keimzellen bzw. Orte, an denen Freiheit und Selbstbestimmung gelebt und artikuliert werden: „Keine politischen Überlegungen schienen die Poprebellion angetrieben zu haben, sondern vielmehr die Sehnsucht vieler Menschen nach mehr Freiheit und Selbstbestimmung; eine Sehnsucht also, die bisher jede bürgerliche Demokratie mit konstituierte.“

1.2.1 Zur Geschichte der Subkultur

„Das auffälligste Merkmal der Nachkriegskultur in allen entwickelten Ländern der Erde ist das Aufblühen einer Pop-Kultur, neben der die elaborierte Hochkultur immer mehr zum Luxus einer kleinen Minderheit zu werden scheint.“

Seit Ende des Zweiten Weltkrieges tauchten etliche Subkulturen mit deutlich ausgeprägten Lebensformen und Stilmomenten auf. Auf der Suche nach lebbarer Utopie und dem „eigentlichen Leben“ entstanden neue Lebensentwürfe, die vor allem auf die maximale Befreiung individueller Bedürfnisse abzielten. Subkulturen entstanden zunächst „[…] als Protest wider die Gegenwart privat- und staatskapitalistischer Entfremdung und später als konstruktive Anti-Bilder zu den etablierten Gesellschaftsmodellen in West und Ost“. Die ersten auffälligeren Subkulturen konstituierten sich nahezu ausschließlich in den USA, was Hollstein folgendermaßen begründet: „Die USA boten mit ihrer geographischen Größe, ihren vielfältigen Rückzugsgebieten, ihrem breiten ethnischen und kulturellen Spektrum und ihren sozio-politischen Gegensätzen der alternativen Bewegung Entwicklungsmöglichkeiten, die sie in Europa nicht in diesem Maße besaß. Überdies waren die USA nach dem Zweiten Weltkrieg jenes Land, in dem der Kapitalismus seine zerstörerischen Wirkungen für das menschliche Zusammenleben, den Städtebau, die Kultur und die Moral am deutlichsten entfaltete.“

Zum weiteren Verständnis dieser Arbeit sollen zunächst einige Haltungen spezifischer Subkulturen skizziert werden, um ihre Unterschiedlichkeit und Zielsetzung deutlich zu machen. Die vorwiegend aus der Mittelklasse stammenden Beatniks der 50er Jahre verzichteten (im Unterschied zu den nachfolgenden Hippies und den Punks) weitestgehend darauf, Staat und Gesellschaft öffentlich zu kritisieren. Die Beats distanzierten sich bewußt von der offiziellen Kultur, zelebrierten ihr Außenseitertum und transportierten ihre ästhetischen Vorstellungen vom Leben in ihren Alltag, um sich so entschieden dem amerikanischen System zu verweigern. Sie romantisierten die im Abseits stehende Kultur der Schwarzen, schrieben expressive, zornige, nicht selten obszöne Texte, lebten eine sehr freie Homo-, Bi- oder Heterosexualität, hörten Jazz, experimentierten mit Drogen und befassten sich mit fernöstlicher Mystik. Allen Ginsberg, neben Jack Kerouac einer der Hauptprotagonisten der Bewegung, beschrieb die (diffuse) Bedeutung des Wortes Beat folgendermaßen: „The point of Beat is that you get down to a certain nakedness where you actually able to see the world in a visionary way.“ In ihrer Haltung, den stilistischen Attitüden und Lebensformen bereiteten die Beatniks die wesentlichen Züge der nachfolgenden Jugendbewegungen vor. Aus historischer Perspektive kann die Beat-Generation „[…] als wegweisende Vorhut einer wachsenden Entzweiung mit dem System gesehen werden“, denn ihre Anti-Haltung „[…] bezeichnete den Beginn eines Bewußtwerdens über die mißliche Beschaffenheit der Nation und bereitete den Auszug aus dem System vor.“
Etwas früher als der Beatnik trat in den USA der Hipster in Erscheinung. Der Hipster, meist proletarischer Herkunft, verabscheute ähnlich wie der Beatnik die ’straighte Welt‘, war aber im Vergleich wesentlich konsumorientierter: Der Hipster war ein ‚typischer Dandy der unteren Klassen‘, betont Goldman. Gekleidet war er wie ein „[…] Schwuler, der sich einen ganz coolen, durchgeistigten Ton zugelegt hatte – um sich von den derben, impulsiven Typen zu distanzieren, die ihn im Ghetto umgaben – und der die feineren Dinge des Lebens anstrebte, wie guten ‚tea‘ (Marihuana), nur den edelsten Sound – Jazz oder Afrokubanisches…“. In Haltung und Stil stand er der schwarzen Ghettokultur sehr nahe, mit der er auch ähnliche Probleme teilte. Um sich vom tristen Alltag zu distanzieren, trug der Hipster mit Vorliebe die weiten und eleganten Anzüge der 40er Jahre, sogenannte Zoot Suits, welche die traditionellen Sehnsüchte der Schwarzen an der Straßenecke (rauskommen und abhauen) verkörperten.
Die Hippies, die Mitte der 60er Jahre in Erscheinung traten, waren im Unterschied zu ihren Vorläufern eine der wenigen Jugendbewegungen, die alternative gesellschaftliche Konzepte und Institutionen entwickelte. Im Unterschied zu den Beats und den Hipsters war ihre Kritik am System tendenziell konstruktiv, von missionarischem Eifer und vor allem öffentlich (Demonstrationen, Friedenskonzerte etc.) angelegt. Viele der propagierten Ideale wie Pazifismus und freie Sexualität gehören heutzutage zum allgemein akzeptierten Wertesystem jeder westlichen Demokratie: „Die historische Leistung der Hippies besteht unzweifelhaft darin, der amerikanischen Gesellschaft ein positives Gegenbild des Glücksstrebens, der Kommunikation, der Sinnhaftigkeit von Existenz, der Liebe und des Versuchs gegenseitigen Verstehens vor- und entgegengehalten zu haben.“ Gleason schreibt in diesem Zusammenhang: „Sie sind in der Tat die erste schöpferische soziale Bewegung, die die weiße Bevölkerung in den USA seit Jahrzehnten hervorgebracht hat“. Sie bauten „[…] eine neue Ordnung von Werten auf, eine neue Struktur, eine neue Gesellschaft, die, wenn man so will, horizontal zur alten, aber innerhalb dieser sich errichtet.“
Als eine der ersten genuinen Subkulturen in England (vor allem in bezug auf Stil) gelten die Mods Anfang bis Mitte der 60er Jahre. Der Mod war die englische Variante des amerikanischen Hipsters und definierte sich insbesondere durch auffälliges Konsumverhalten und ausgeprägte Affinität zur Mode: Der Mod war gleichbedeutend mit Verweichlichung, einer hochnäsigen Attitüde, snobistischen, unechten Allüren und hatte ein großes Interesse an Statussymbolen. Er liebte die Geschwindigkeit und die Droge und wurde trotz seiner adretten Ordentlichkeit als öffentliche Bedrohung wahrgenommen. Über Mode und Stil, die sich hauptsächlich an der aufstrebenden Klasse orientierten, versuchten sich die Mods von den Rollenzuweisungen ihrer sozialen Herkunft zu distanzieren: Frith konstatiert, daß der Stil der Mods (d.h. die aktive und bewußte, wenn auch widersprüchliche Stilisierung der eigenen Lebenswelt) spezifische Auswirkungen auf die verschiedenste Bereiche des kulturellen Leben hatte. Hierzu zählen Reformen im Bereich der „[…] Geschäftswelt (das Aufkommen der Boutiquen), der Hörgewohnheiten (Entstehung der Piratensender) und das Tanzen (Triumph der Soulmusik)“. „Sie setzten für die Teenager neue Maßstäbe in bezug auf Mode, Musik, Drogenkonsum, Mobilität und Abgrenzung.“ Im Unterschied zum Mod fetischierte und karikierte der englische Skinhead der 60er Jahre seine proletarische Herkunft, indem er sich bewußt zum ‚Lumpenarbeiter‘ stilisierte: „Der rasierte Schädel war Zeichen für Dummheit, die Arbeitsstiefel das Zeichen für Plackerei, die unbeholfenen Körperbewegungen das Zeichen für rohe Gewalt, die stumpfe Unwirschheit ein Zeichen von Drohung – die gesamte Aufmachung war letzten Endes die proletarische Karikatur einer bürgerlichen Witzfigur.“

Diese Beispiele sollen soweit genügen um aufzuzeigen, wie unterschiedlich sich Subkulturen artikulieren, um ihrer erlebten Unzufriedenheit sowie der dominanten Kultur zu begegnen. Während einige Subkulturen alternative Lebensformen zumindest ansatzweise formulieren, opponieren andere vor allem auf der ästhetischen Ebene des Stils. Wobei sich letztere tendenziell aus der Arbeiterklasse rekrutieren. Ferner möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, daß die meisten Jugendlichen sich nie einer Subkultur angeschlossen haben. D.h. auch, das die oben angesprochen subkulturellen Strömungen keine Massenbewegungen waren, welche die Mehrheit der Jugendlichen ergriffen. Des weiteren sei angemerkt, daß es in der Geschichte der Klassengesellschaft schon immer Einzelpersonen und Gruppen gegeben hat, die eigene Lebensstile entwickelten und sich damit konträr zur umfassenden Kultur verhielten. Der Antikonformismus der hier beschriebenen Jugendsubkulturen ist insofern nicht unmittelbar neu – erhält aber im Kontext der Massenmedien und der Warenökonomie eine veränderte soziale Relevanz – was im folgenden noch genauer zu beleuchten sein wird.

2 (Jugend)subkultur als soziologisches Konzept

Jugendkultur und Subkultur sind, ungeachtet ihrer Popularität, als soziologische Konzepte noch relativ neuen Datums. Die Idee einer (jugendlichen) Subkultur als Teilkultur einer Gesellschaft entstammt vornehmlich der angloamerikanischen Soziologie und Kultur-anthroplogie und wurde erst in den 20er und 30er Jahren in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt: Als soziologisches Konzept hat der Begriff Jugendkultur seinen Ausgangspunkt in der Jugendkriminologie und in der Delinquenzforschung (Gang-Studien). In diesem Zusammenhang ist besonders die interaktionistisch und sozialökologisch ausgerichtete Chicago School (später »Symbolischer Interaktionismus« genannt) hervorzuheben. In verschiedenen sozialwissenschaftlichen Bereichen entwickelte sich die vorherrschende Sichtweise, Jugend als ein soziales Problem zu betrachten. Häufig subsumierte man dabei unter dem gängigen Begriff Jugendkultur Probleme, deren eigentlicher Ursprung in der sozialen Ordnung und in den wirtschaftlichen Verhältnissen lag: Nach dem Zweiten Weltkrieg gerieten die Jugendlichen zunehmend als soziales Problem ins Blickfeld der Sozialwissenschaften, besonders die männlichen Arbeiterjugendlichen bezeichnete man gerne als sogenannte Folk devils. D.h. der Jugendliche wurde in Krisensituationen zum Sündenbock abgestempelt und zum Gegenstand moralischer Entrüstung.

Als zentrales Theorem des Generationenkonfliktes wurde der Terminus Jugendkultur 1942 von Talcott Parsons in die theoretische Diskussion eingeführt. Nach Parsons unterscheidet sich die Lebensform der Jugendkultur durch spezifische Muster von den Verhaltensweisen der Erwachsenenkultur (adult culture), die dann auch Ursache eines Generationenkonfliktes sein können. Gelebt werden diese jugendlichen Devianzen in den ‚peer groups‘, d.h. in Gruppen Gleichgesinnter bzw. Gleichaltriger. Parsons’ dichotomisierte Betrachtung von Jugend- und Erwachsenenkultur charakterisiert hier bereits schon eine eigenständige Jugendwelt. Die erste konkrete Verwendung und Ausprägung des Begriffs Subkultur in der Soziologie geht zurück auf McLungLee (1945) und M. Gordon (1947), die in der Subkultur ein Subsystem der nationalen Kultur sahen: Ihre Untersuchungen bezogen sich vor allem auf die Sozialisationsformen sektorisierter Kulturen in pluralistischen Gesellschaften. Die Idee, daß der Begriff Subkultur ein Subsystem innerhalb der Gesamtkultur zum Ausdruck bringt, wird deutlich in Fritz Sacks vielzitiertem Aufsatz Idee der Subkultur (1971): Sack setzte die erkenntnismäßige Funktion des Begriffs Subkultur gleich mit dem Begriff Kultur. In seiner Ausführung geht der Begriff Kultur als wissenschaftliches Konzept aus der Konfrontation der westlich-abendländischen Gesellschaft mit den exotischen Gesellschaften anderer Länder hervor. Die fremden Verhaltensweisen, Sitten und Bräuche, die den eigenen bis dahin unbekannt waren, provozieren Angst und Unsicherheit. Der Begriff bzw. die Idee der Subkultur hat „[…] die gleichen erkenntnismäßigen Funktionen für die Analyse und die Erklärung menschlichen Verhaltens innerhalb ein und derselben Gesellschaft wie die Idee der Kultur für das Verhalten der Menschen in verschiedenen Gesellschaften mit unterschiedlicher Kultur. Mit anderen Worten: Die ‚Subkultur‘ ist ein intragesellschaftlicher, die ‚Kultur‘ ein intergesellschaftlicher Begriff.“ Bei beiden Begriffen, bei der Kultur sowie der Subkultur, geht es insofern um Fremdheit (Bedrohung durch Anderssein), Unsicherheit und das Nicht-Verstehen. Subkulturforschung ist entsprechend die „[…] Ethnologie im eigenen Land bzw. intrakulturelle Er-Forschung des Fremden mit dem – manifesten oder latenten – Ziel: Verstehen und Nachvollziehen, aber auch: Beeinflussen, Manipulieren, Kontrollieren, Kolonialisieren, Integrieren.“ Anfang der 70er Jahre führte in Deutschland vor allem die Übersetzung des von Robert R. Bell verfaßten Aufsatzes The Adolescent Society (Original, 1961) zu einer eigenständigen Diskussion: Bell versteht unter Subkulturen „[…] relativ kohärente kulturelle Systeme, die innerhalb des Gesamtsystems unserer nationalen Kultur eine Welt für sich darstellen“. Solche Subkulturen entwickeln strukturelle und funktionale Eigenheiten, die ihre Mitglieder in einem gewissen Grade von der übrigen Gesellschaft unterscheiden.“ Mit diesem Ansatz werden Subkulturen als relativ eigenständige Sozialgebilde mit eigenem Wertesystem definiert; eine für die weitere Diskussion maßgebende Auffassung. Den ersten größeren Theorieentwurf in der deutschen Subkulturdebatte bildete Schwendters Theorie der Subkultur (1970), der die Funktion von Subkultur vor allem als Gegenmoment zur herrschenden Kultur betrachtet: Nach Schwendters Auffassung bilden vor allem die progressiven Subkulturen eine entscheidende Opposition zum bestehenden System (und wollen auch als solche verstanden werden). Gegen Mitte der 70er Jahre verflachte die Subkulturdebatte in Deutschland und verlor zunehmend an Relevanz und Brisanz.

Einen Wendepunkt in der Subkulturforschung markierten in den 70er Jahren die vom Neomarxismus und Strukturalismus beeinflußten Analysen des Birminghamer Centre for Contemporary Cultural Studies. Die Ansätze des CCCS sind vor allem durch das konstituierende Moment der Klassenkultur gekennzeichnet. Darüber hinaus erhält die Bedeutung von Stil eine neue Qualität in der Subkulturforschung, da von nun an die Stilebene zum Medium wird, durch das Widersprüche zum Ausdruck gebracht werden. Im Unterschied zu frühen Subkulturkonzepten wird der Jugendliche von den Cultural Studies jenseits traditioneller Opfer- bzw. Täterkategorien thematisiert: Die Jugendlichen werden nicht mehr als ‚Modernisierungsverlierer‘ betrachtet, sondern vielmehr als aktive und produktive Mitglieder innerhalb des gesellschaftlichen Kontextes. Insofern werden Subkulturen nicht mehr unbedingt als Gegenspieler der Dominanzkultur verstanden, sondern vielmehr als pluralistischer Ausdruck der Gesellschaft. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt, der aus den Forschungsansätzen des CCCS hervorgeht, ist die Sichtweise, daß sich sozialer Wandel nicht einzig und allein aus ökonomischen und politischen Kontexten ableiten läßt, sondern vielmehr auf einem Mix zwischen ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Praxen basiert. In den 80er Jahren wurden Subkulturen in der Forschung vor allem nach ihrer politischen Relevanz befragt, wobei sich das Interesse in den 90er Jahren tendenziell auf die ästhetisch motivierten und künstlerisch ausdrucksreichen Subkulturen verlagerte. Das gesellschaftsverändernde Potential von ästhetisch-subkultureller Praxis geriet zunehmend in das Blickfeld der Forschung und avancierte damit zum Erklärungsmodell für soziologische Schlagworte wie sozialer Wandel, soziale Dynamik, Wertewandel und Strukturveränderung.

In der heutigen Diskussion wird der Subkultur-Begriff eher zurückhaltend benutzt. Das liegt vor allem daran, daß das Konzept der Subkultur als ein in sich geschlossenes System nur schwerlich aufrechtzuerhalten ist: An die Stelle der subkulturellen Abgrenzung tritt ein Szenario ’sozialästhetischer Lebenswelten‘ [Bsp. Technokultur, Anm. O.S.], deren politische Aufladung nur schwerlich überzeugen kann. Andererseits werden Subkulturen, wie Behrens es polemisch zuspitzt, in der heutigen Sozialwissenschaft im „[…] ästhetischen Taumel als letzte Bastion ausgemacht, in der sich gesellschaftlicher Wandel überhaupt noch zuträgt.“

2.1 Zum Begriff der Subkultur

„Der Begriff Subkultur gehört zu jenen, die umso ferner rücken, je näher sich ihnen zugewandt wird.“

Um die Merkmale von Subkultur deutlich zu machen, sollen im folgenden einige spezifische Phänomene angesprochen werden, an die sich der Begriff bindet. Zunächst ist zu konstatieren, daß mit dem Begriff Subkultur im allgemeinen eine breite Palette von Erscheinungen bezeichnet wird: Laut Monte/Stemmer hat der Begriff Subkultur (seit seiner wissenschaftlichen Durchsetzung in den 60ern) sich immer wieder verändernde Bedeutungszuschreibungen gefallen lassen müssen. Besonders im Verlauf der 80er Jahre wurde Subkultur zu einem unscharfen, inhaltslosen und inflationär gebrauchten Begriff, indem jegliche Modeströmung (z.B. Yuppies, Popper) als subkulturelles Phänomen bezeichnet wurde.

Die Begriffe Jugend- und Subkultur als auch die Populärkultur werden in der heutigen Zeit häufig synonym benutzt. Dies liegt vor allem daran, daß sich die Begriffe in ihrer Bestimmung nicht unmittelbar einander ausschließen lassen. Der Begriff Subkultur soll insofern zunächst in Relation zur Populär- und Jugendkultur kurz definiert werden, um Überschneidungen und Unterschiede zu verdeutlich. Die Subkultur bewegt sich abseits bzw. unterhalb des gesellschaftlichen Mainstreams, d.h. sie existiert als Subsystem innerhalb der Gesamtkultur. Die Populärkultur hingegen kann verkürzt als die Kultur beschrieben werden, über die sich viele Menschen in einer Gesellschaft definieren: Dennoch schließen Subkultur und Populärkultur, obgleich sie unterschiedliche kulturelle Spektren abdecken, einander nicht aus. Denn die Subkultur greift zur Kommunikation auf die etablierten Zeichencodes zurück, die der Populärkultur entstammen, um sie letztlich in modifizierter Form wieder in die Populärkultur einzubringen. Beide Kulturen stehen dementsprechend in Interaktion miteinander.
Der Terminus Jugendkultur hingegen ist verortet zwischen Subkultur und Populärkultur. Einerseits unternimmt die Jugendkultur stilistische Anleihen bei Minderheiten, um sich von der Mainstream-Kultur abzugrenzen und reagiert damit auch offener als viele andere Bereiche der Populärkultur. Andererseits erlangt die Jugendkultur häufig eine größere Breitenwirkung, wodurch sie schnell in den etablierten Kanon der Populärkultur inkorporiert wird. Die Jugendkultur wird dadurch zu einem wichtigen Medium, da durch sie die Elemente der Subkultur in die Populärkultur transportiert werden. Für Clarke u.a. unterscheiden sich Subkulturen von der umfassenderen Jugendkultur im wesentlichen durch ihre ausgeprägte Strukturbezogenheit. Hinzu kommt, daß der Begriff Jugendkultur im Unterschied zur Subkultur verschiedene Aspekte kommerzieller und publizistischer Manipulation impliziert.
In der Soziologie wird der Begriff Subkultur häufig benutzt, um Teilkulturen innerhalb der Gesellschaft zu beschreiben. Schwendter unterscheidet die Begriffe Subkultur und Teilkultur folgendermaßen: „Als Subkulturen können […] Gruppen oder Personenagglomerationen gelten, die sich in ihren Normen, Bedürfnissen und Objektivationen in einem wesentlichen Ausmaße von den jeweils gesamtgesellschaftlich geltenden unterscheiden – zunächst unabhängig davon, ob dies auf Grund einer mehr oder weniger eigenen Entscheidung oder auf Grund einer gesamtgesellschaftlich veranlaßten Ausgrenzung der Fall gewesen ist – ; Teilkulturen hingegen teilen im großen und ganzen die Normen, Bedürfnisse und Objektivationen der Gesamtgesellschaft, fügen diesen jedoch einige eigenständige Akzente hinzu.“ Interessieren sollen im Rahmen dieser Arbeit nur solche Subkulturen, die in ihrer Haltung in Opposition zur dominanten Kultur bzw. zur Mainstream-Kultur stehen. Schwendter unterscheidet hier zwischen den progressiven und den regressiven Subkulturen. Als progressive Subkulturen können demnach solche betrachtet werden, welche die autoritativen, herrschenden Codes durchbrechen, indem sie neue kulturelle Formen erarbeiten: „Die Normen, Institutionen etc. der progressiven Subkulturen dienen diesen dazu, den gegenwärtigen Stand der Gesellschaft aufzuheben, weiterzutreiben, einen grundsätzlich neuen Zustand zu erarbeiten. Die Normen, Institutionen etc. der regressiven Subkulturen dienen diesen dazu, einen vergangenen Stand der Gesellschaft, Normen, die nicht mehr, oder nicht in dieser Weise, in der gegenwärtigen Gesellschaft wirksam sind, wiederherzustellen.“ Kreutz kommt zu einer ähnlichen Betrachtungsweise von Subkultur, die er als selbständige Interaktionssysteme bezeichnet, wodurch sie sich auch von der Regelwelt der umfassenden Gesellschaft unterscheiden: „Von einer jugendlichen Subkultur kann gesprochen werden, wenn ein Interaktionssystem innerhalb der umfassenden Kultur entstanden ist, das von anderen Interaktionssystemen abweicht: Symbolwelt, Interaktionsformen, Normen, Wertehaltungen, Zielsetzungen, Verhaltensmuster, Prüfkriterien für Wahrheit und Realität.“ Behrens hingegen setzt Subkultur in unmittelbare Beziehung zur herrschenden Klasse, indem er kulturelle Herrschaft für die Entstehung von Subkultur voraussetzt: „Subkulturen setzen sich aus Elementen der unterdrückten Kultur zusammen; sie bilden jedoch nicht eine zweite Kultur, die neben der herrschenden besteht, sondern es formiert sich mit und unter dem Instrumentarium der herrschenden Kultur ein Underground, der nur durch den ständigen Bezug und Austausch mit der herrschenden Kultur lebensfähig ist: Subkultur braucht als Medium die herrschende Kultur. Die herrschende Kultur braucht zur Legitimation ihrer Funktion den Inhalt der Subkultur.“ Letztere Definition, welche ja die anderen nicht ausschließt, bildet auch den Grund-Tenor dieser Arbeit.

2.1.1 Subkultur und Klassenkultur

Im Unterschied zu frühen Jugendkulturanalysen, die tendenziell von einer klassenlosen Jugendkultur ausgingen, verstehen die Cultural Studies jugendliche Subkulturen als generationsspezifische Subsysteme klassenspezifischer Stammkulturen (parents cultures). Subkulturen stehen im Verhältnis zur sozialen Klassenkultur und Stammkultur. Sie bilden Sub-systeme, sozusagen „[…] kleinere, stärker lokalisiertere und differenziertere Strukturen innerhalb eines der beiden größeren kulturellen Netzwerke.“ Subkultur und Stammkultur werden demnach in den gleichen historischen Rahmen gestellt, denn trotz Unterschiedlichkeit in Verhalten und Aussehen teilt die Subkultur die fundamentalen und prägenden Lebenserfahrungen ihrer Stammkultur, in der sie existiert und koexistiert. D.h. Subkulturen werden geformt durch die gleichen determinierenden Erfahrungen ihrer Klasse und bleiben deswegen auch ein Teil von ihr. Gleichzeitig stehen Subkulturen jedoch auch in Beziehung zur dominanten Kultur, welche den vorherrschenden Wertekanon vorgibt. Subkulturen sind insofern zweifach konstituiert bzw. wie Verteter des CCCS es nennen »doppelt artikuliert«, einmal zur Herkunftskultur und zum anderen zur dominanten Kultur. Sie bilden sich innerhalb dieses Zwei-Kulturenmodells als modifizierte, kulturelle Muster heraus: „Wenn wir also von Subkulturen als Subsysteme schichten- und klassenspezifischer Kulturen sprechen, dann heißt dies, daß in ihnen ein doppeltes zum Vorschein kommt: ein wie auch immer gearteter Dissens (eine Abweichung) von der herrschenden Kultur und eine, wenn auch möglicherweise partielle oder ins spiegelbildlich Negative gewendete, Übereinstimmung mit der Stammkultur, deren Subsysteme sie sind. Diese doppelte Konstitution ist es, die uns Subkulturen »fremd« und »vertraut« zugleich erscheinen lassen.“
Die Herkunftskultur als wesentliches konstituierendes Element wirkt sich auch auf die Struktur der Subkultur aus. Clarke u.a. unterscheiden in bezug auf die Herkunftskultur zwischen den Subkulturen und den Gegenkulturen (counter-cultures): Während die Subkulturen der Arbeiterklasse deutlich kollektive (Gang-ähnliche) Strukturen aufweisen, sind die Gegenkulturen der Mittelklasse eher diffus, weniger gruppenbezogen und individualistischer ausgerichtet. Auch die Gegenkulturen sind Subsysteme ihrer Stammkultur und versuchen, die inhärenten Widersprüche ihrer Klassenkultur zu verarbeiten. Die Gegenkultur ist, wenn man so will, die gesellschaftliche ‚Avantgarde des Dissens‘, indem sie mit ihrem Verhalten, dem Stil und ihren Ideen gegen die eigene Kultur rebelliert, d.h. gegen die dominante Kultur, welche den gesellschaftlichen Wertekanon weitestgehend bestimmt. Die klassischen Gegenkulturen lassen sich aus diesem Blickwinkel auch als eine Revolution der Verhaltensweisen interpretieren. Als eine Absage an Lebensart und Lebensauffassung der älteren Generation. Ferner läßt sich feststellen, daß die Ideen und Vorstellungen der Gegenkultur tendenziell eine größere Verbreitung finden, die über die Grenzen der eigenen Klasse hinausgehen. Damit werden sie zur eigentlichen ‚Störkraft‘ des gesellschaftlichen Konsens. Zudem läßt sich feststellen, daß die Karrieren der Mittelschicht-Subkulturen meist länger andauerten, als die der Arbeitersubkulturen: Young führt das in bezug auf die Hippies vor allem darauf zurück, daß es (neben dem Freizeitbereich) ernsthafte Versuche (wenn auch beschränkter Natur) gab, alternative Strategien für Arbeit, Produktion und Sexualität zu finden. Schon allein der Versuch, ein alternatives Lebenskonzept zu begründen, verlieh den Hippies als Kulturform mehr Lebenskraft.
Andererseits muß in diesem Zusammenhang auch darauf verwiesen werden, daß Beats, Hippies, Yippies sich ebenso wenig wie etwa die antiautoritäre Studentenbewegung oder in einem anderen Kontext die Arbeiterbewegung als ‚akzidentiellen Dissens‘ verstanden, sondern vielmehr als gegenständlich gewordene Alternative zur bestehenden (kapitalistischen) Gesellschaft. Dementsprechend wollten Beat-Generation, Provo-Bewegung, Underground nicht Subkulturen, sondern Gegenkulturen (counter-culture) sein. Im Unterschied zu den Sub-/Gegenkulturen der Mittelschicht, boten die Subkulturen der Arbeiterklasse keine überlebensfähigen Alternativen und waren in der Regel sehr kurzfristig angelegt. Sie konnten nicht die Bedingungen für ihr Überleben sichern, schreibt Willis, weil sie nicht in der Lage waren, diejenigen brutalisierenden und repressiven Determinanten zu modifizieren, die sie zu dem gemacht hatten, was sie waren. Des weiteren ist festzustellen, daß viele der Arbeitersubkulturen deutlich freizeitorientiert ausgerichtet waren. Bestes Beispiel ist hier der englische Mod: Sobald Arbeit und Familie eine größere Bedeutung annahmen, konnte sich der Stil eines Gruppenmitgliedes schnell auflösen.

2.1.2 Die Funktion von Subkultur

Subkulturen sind nicht von Dauer, wie den oben beschriebenen Bemerkungen zu entnehmen ist. In ihrer Funktion sind sie zunächst nur eine temporäre Scheinlösung, in der die sozialen Widersprüche der Herkunftskultur zum Ausdruck kommen. Laut Cohen besteht die latente Funktion von Subkulturen darin, „[…] die inhärenten Widersprüche der Stammkultur (parent culture) offen auszudrücken – wenn auch in Form einer Scheinlösung (magically). Die diversen Subkulturen, die im Rahmen einer Stammkultur entstehen, sind lediglich als verschiedene Varianten ein und desselben Themas zu verstehen. Ihnen ist eine zen-trale Problematik gemein, nämlich die Suche nach einem Ausweg aus den entstandenen ideologischen Widersprüchen ihrer sozialen Schicht, zwischen dem traditionellen Puritanismus der Arbeiterklasse einerseits und der neuen Konsumideologie andererseits.“ Ferner verweist Cohen in diesem Zusammenhang auf eine zunehmende Polarisierung innerhalb der Arbeiterklasse, in eine neue ’soziale mobile Elite‘ und ein sich abzeichnendes ‚Lumpenproletariat‘.
Subkulturen stellen insofern auf je unterschiedlichste Weise einen Versuch dar, „[…] einige der in der Stammkultur zerstörten Elemente sozialer Kohäsion wiederherzustellen und mit anderen Elementen zu kombinieren, die selektiv von anderen Teilen der Klasse übernommen werden und die eine oder andere der offenstehenden Alternativen zu symbolisieren.“ Dieser komplexe Prozeß wird in der Herausbildung des englischen Mods exemplarisch reflektiert: „Der ursprüngliche Mod-Stil läßt sich als Versuch interpretieren, die Existenzbedingungen des sozial mobilen ‚White collar‘- Arbeiters zu realisieren, wenn auch in einer imaginären Beziehung. Während ihr Slang und ihre Ritualformen manche traditionellen Werte ihrer Stammkultur betonten, reflektierten ihre Kleidung und ihre Musik das hedoni-stische Image des wohlhabenden Konsumenten.“ Auch im Stil der Teddy Boys wird die Funktion der Subkultur als Scheinlösung deutlich: „Mit der Aussicht auf lebenslange Hilfsarbeit waren die Teddy Boys effektiv aus der achtbaren Arbeiterklasse ausgeschlossen und in ihrem Lebensgefühl von dieser distanziert. Sie bewegten sich im Abseits, in der Phantasie. Als Zeichen ihrer Ablehnung des trüben Alltags von Schule, Job und Familie legten sie sich einen übertriebenen Stil zu, der zwei unverfroren geplünderte Formen gegeneinanderstellte: schwarzen Rythm & Blues und aristokratische Anleihen in der Kleidung (Edwardian Style).“ Des weiteren setzt Cohen die Funktion der Subkultur mit einer Kompromißlösung zwischen zwei gegensätzlichen Bedürfnissen gleich: Zum einen dem Bedürfnis, Unabhängigkeit und Verschiedenheit zur Elternkultur ausdrücken zu wollen und zum anderen, um das Bedürfnis der elterlichen Identifikation zu bewahren. Während jedoch einige Subkulturen, wie z.B. die Skinheads, nachdrücklich die traditionellen Werte der Arbeitergemeinschaft theoretisierten und fetischisierten, indem sie bewußt die proletarische Herkunft durch Springerstiefel und zu kurze Jeans betonten, um so eine scheinbare Rückkehr in die Vergangenheit zu erreichen, entfernten sich andere, wie die Punks, ganz deutlich von ihrer Elternkultur und stellten sich somit selbst bewußt ins Abseits.
In ähnlicher Weise deutet auch Murdock Subkulturen als Ausweg kollektiv erfahrener Probleme unterprivilegierter Klassen. Um diesen Problemen zu begegnen, entwickeln sie eigene Bedeutungssysteme, jedoch nicht nur, um die eigene soziale Situation aufzuwerten, sondern auch um das herrschende System in Frage zu stellen: „Subkulturen sind Bedeutungssysteme und Ausdrucksformen, die einzelne Gruppen in bestimmten Sektoren der Sozialstruktur im Verlauf ihrer kollektiven Anstrengungen herausbilden, um mit den Widersprüchen der ihnen gemeinsamen sozialen Situation zurechtzukommen. Insbesondere repräsentieren Subkulturen zusammenhängende Bedeutungsmuster und Ausdrucksformen, mit deren Hilfe sozial unterprivilegierte Gruppen versuchen, das herrschende Wertesystem in Frage zustellen oder zu bekämpfen. Dementsprechend bilden sie gewissermaßen einen Speicher an Metaphern und Symbolen heraus, auf den Individuen und Gruppen in ihren Anstrengungen, ihrer Lebenssituation »Sinn« zu verleihen und eine lebensfähige Identität herauszubilden, zurückgreifen können.“ Die Auffassung, daß die imaginäre Beziehung den Kern der Subkultur-Frage bildet, stellt für Clarke u.a. ein weitestgehend angemessenes Erklärungsmodell dar. Jedoch bleibt auch für sie letztlich die Frage ungeklärt, warum Subkulturen der gleichen Klassenkultur den Weg nach oben (Mods) oder nach unten (Teds) einschlagen. Hebdige hingegen stimmt der Theorie Cohens nur bedingt zu, da für seine Begriffe die Lösungsstrategien der Jugendlichen zu stark auf die Verbindung zur Erwachsenenkultur reduziert werden. Hebdige sieht zwar viele Berührungspunkte zwischen Jugend- und Erwachsenenkultur der Arbeiterklasse, schränkt dabei aber ein, daß insbesondere bei besonders auffälligen Subkulturen, wie etwa beim Punk, nur schwerlich ein Zusammenhang zwischen den symbolischen Versuchen und verbindenden Elementen zur Elternkultur erkennbar wird, außer dem simplen Faktum des Zusammengehörigkeitsgefühls.

2.2 Die historischen Wurzeln von Subkultur

„Die Subkultur konnte nicht existieren ohne die Entstehung eines spezifischen, auf die Jugend eingestellten Konsumenten-Marktes.“

Die historische Entwicklung von jugendlichen Subkulturen ist eng verknüpft mit den strukturellen und sozio-ökonomischen Veränderungen nach 1945. Dazu zählen im wesentlichen Veränderungen im Bildungssystem (z.B. die Einführung der universellen Sekundarschulbildung) und Erziehungswesen, ein größeres und spezifisch auf die Bedürfnisse ausgerichtetes Warenangebot sowie das Aufkommen von Massenkommunikation und Massenunterhaltung (Einführung des kommerziellen Fernsehens etc.). Hinzu kommen Faktoren wie die Verschiebung von Freizeit und Arbeit, der relative Anstieg der Kaufkraft (insbesondere der Arbeiterjugendlichen) und die damit verbundene Entstehung eines auf Klassenlosigkeit ausgerichteten jugendorientierten Konsumentenmarktes: „Der steigende Wohlstand der fünfziger Jahre brachte eine andere Seite der englischen Jugendlichen zum Vorschein: die Generation der vergnügungssüchtigen, exotischen, lust-betonten Jugendlichen.“ Vor allem zwei historische Entwicklungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Entwicklung spezifischer Jugendkulturen stehen, sind hier hervorzuheben. Zum einen ist das die Herausbildung eines jugendspezifischen Generationenbewußtseins, das sich deutlich von der Lebensauffassung der Elternkultur unterschied: „Dieses Bewußtsein war zwar noch in Klassenerfahrungen verwurzelt, aber es drückte sich in Formen aus, die von den traditionellen abwichen und in einigen Fällen sogar konträr zu ihnen standen.“ Ein weiterer Faktor war die »Erfindung des Teenagers« in den 50er Jahren. In dieser Zeit entwickelte sich boomartig eine neue Unterhaltungs- und Freizeitindustrie, die speziell auf den sogenannten ‚Teenagerkonsumenten‘ ausgerichtet war: „Der Begriff ‚Teenager‘ trieb einen massiven Keil zwischen Kindheit und Erwachsensein: das Geld. Die Erfindung des ‚Teenagers‘ ist untrennbar verbunden mit der Schaffung eines Marktes für Jugendliche.“ Diese organisierte Jugendindustrie unterstützte die Herausbildung eines spezifischen Generationenbewußtseins unter den Heranwachsenden: Die Identität der verkauften Objekte wurde als Jugendlichkeit definiert, was letztlich den Aspekt der Klassenherkunft unter den Jugendlichen aufzuheben schien. Gleichzeitig reflektierte diese neue Jugendindustrie auch die vorherrschende Wohlstandsideologie: „Die Produktion für einen spezifisch jugendlichen Markt war auf das Bild einer zur ‚Klassenlosigkeit‘ sich entwickelnden Gesellschaft abgestellt.“ Die Waren der Kulturindustrie boten insofern eine neue Möglichkeit, die Klassengrenzen zu überschreiten, ganz im Dienste der sich formierenden Wohlstandsgesellschaft: „Der Generationskonflikt als willkommenes Substitut für den weit bedrohlicheren Klassenkonflikt konnte seinen Siegeszug antreten.“  Eine weitere entscheidende Veränderung vollzog sich zudem durch die bereits angesprochene Verschiebung von Arbeit zugunsten der Freizeit, d.h. Freizeit stand in einem höheren Maß als bisher zur Verfügung. Ferner konnten die Jugendlichen aufgrund der verbesserten ökonomischen Infrastruktur auch an den Waren partizipieren, welche die Freizeitindustrie bereitstellte: Hier entstand für die Jugendlichen ein aushandelbarer Raum (der davor in dieser Form nicht vorhanden war), frei von der streng disziplinierten und kontrollierten Arbeitersituation. Nicht zuletzt wurde mit dem Entstehen einer neuen Freizeitkultur eine gesellschaftliche »Unterwanderung« der Arbeiterklasse erst möglich. Murdock und McCron verweisen in diesem Kontext auf die endgültige Institutionalisierung der Adoleszenz. Jedoch habe der Komplex Freizeitindustrie die Adoleszenten nicht aus dem Klassensystem herausgehoben, sondern vielmehr zu diesem System in eine besondere Beziehung gebracht.

2.2.1 Subkultur und ihre Beziehungen zur schwarzen Kultur

„Von Anfang an war der Underground in den Vereinigten Staaten definitiv von dem Element geprägt, das von der herrschenden Ideologie am meisten unterdrückt wurde und immer noch wird: die schwarze Kultur.“

Die Geschichte der jugendlichen Subkulturen ist neben den oben beschriebenen ökonomischen und strukturellen Veränderungen eng verbunden mit der Koexistenz schwarzer Bevölkerungsgruppen in den USA und in Großbritannien. Die Nachbarschaft zwischen schwarzer und weißer Kultur lud zur Identifikation ein, selbst wenn diese unterdrückt oder offen bekämpft wurde (wie bspw. bei den Teddy Boys). Über spezifische ästhetische Formen (z.B. in der Musik), übte die schwarze Kultur einen wichtigen Einfluß auf die Entwicklung vieler subkultureller Stile aus. Einige dieser Identifikationsformen sollen im folgenden zur Veranschaulichung skizziert werden: Wie bereits oben angesprochen, idealisierten die amerikanischen Hipster und Beatniks die als frei, unverbildet und authentisch empfundene „Negerkultur“, deren ästhetische Elemente nicht zuletzt für den eigenen Stil ad-aptiert wurden: „In der Kultur, der Musik und dem Stil der Schwarzen konnten Kerouac und seine Kollegen studieren, wie das Leben am Rande oder sogar außerhalb der Gesellschaft zu einem eigenständigen Duktus und Rhythmus der Existenz fand, der verwegen, abenteuerlich, verrucht und elegant zugleich war.“ Der Schwarze diente der weißen Jugend insofern als ideales ‚Modell von Freiheit in Knechtschaft‘, der trotz seiner widrigen Lebensumstände frei und unberührt von den öden Konventionen schien, welche die Gesellschaft dem Menschen auferlegte.
In England hatten sich in den frühen 60er Jahren, insbesondere in den traditionellen Arbeiterbezirken, große Einwanderergemeinden gebildet. Ähnlich wie schon in den USA bildete auch in Großbritannien die schwarze Kultur, vor allem die westindischer Herkunft, die Basis für fast alle aufälligeren Subkulturen der Nachkriegsgeschichte. Für die meisten der weißen jugendlichen Subkulturen war die schwarze Kultur unmittelbares Vorbild, während andere vielmehr antagonistischer Natur waren. Die Rassenkontraste in den Arbeitervierteln unterstützten somit die Herausbildung von Subkulturen. Die schwarze Kultur war jedoch nicht nur ein ideologisches Ausgangsmodell, sondern diente auch deutlich als ästhetische Quelle unterschiedlicher subkultureller Stile: „Die Abfolge weißer Subkulturformen kann als eine Reihe von in der tiefsten Struktur vorgehenden Umwandlung gesehen werden, die auf symbolische Weise die Schwarzen in die Gastlandgesellschaft aufnehmen oder aus ihr verstoßen. Auf der Ebene der Ästhetik – in Kleidung, Tanz, Musik, in der ganzen Rhetorik des Stils – können wir den Dialog zwischen Schwarz und Weiß – wenn auch verschlüsselt – so doch äußerst sensibel und umfassend reflektiert finden.“ In diesem Zusammenhang muß darauf verwiesen werden, daß das Zusammenleben zwischen den schwarzen und weißen Jugendkulturen keineswegs immer friedlich verlief. Dennoch waren es gerade diese erlebten Spannungsverhältnisse, die sich unter anderem auf die Stilbildung auswirkten: Die Stilschöpfung von Subkulturen war neben den politischen Klassenkontrasten deutlich geprägt von den Konflikten zwischen Schwarz und Weiß. Insofern war Stilbildung keineswegs nur ein reiner Individualisierungsprozeß, sondern gleichzeitig auch ein ‚kulturelles Kampffeld‘ – wenn auch meist ein friedliches.
Die Mods in Großbritannien waren die erste Subkultur, die in unmittelbarer Nachbarschaft mit den westindischen Einwanderern aufwuchs: Der Westinder mit seinen karibischen Wurzeln diente dem Mod, der unter anderem als der erste gesamtbritische ‚Weiße Neger‘ bezeichnet wurde, als Modell für seine Lebenswelt. Die meist in öden Arbeitsverhältnissen stehenden Mods lebten abseits der Alltagskultur ein rastloses Leben, geprägt von Mode und Konsum, Motorrollern, dunklen Kellerclubs, Soulmusik und Amphetamintabletten. Sie verstanden den schwarzen Mann als ein Symbol der dunklen Unterwelt, in der eine andere Ordnung herrschte. Er lebte in einem verwobenen System, in dem Werte, Normen und Konventionen der normalen Welt umgekehrt erschienen. Er war in der Lage, innerhalb der bestehenden Struktur zu leben, konnte diese verändern, ohne ihr anzugehören. Auch die Urform des Skinhead (unter ihnen gab es auch Westinder) gegen Ende der 60er Jahre orientierte sich an der schwarzen Kultur. Seine Aufmerksamkeit galt vor allem dem delinquenten Rude-Boy, auch Rudie genannt, meist karibischer Herkunft. Die stolze Haltung dieser Farbigen, die dunklen Sonnenbrillen und zu kurzen Hosen, die zu kleinen Hüte, die sogenannten ‚Crombies‘, und vor allem die Ska- und Rock-steady-Musik wurden zu einem der wichtigsten Elemente der Skin-Kultur. Während sich der Glamrock Mitte der 70er Jahre tendenziell von der Arbeiterjugend distanzierte (und insofern auch wenig mit der schwarzen Kultur gemein hatte), identifizierte sich Punk, auch wenn viele Mitglieder aus der Mittelschicht entstammten, deutlich mit der Arbeiterklasse (bzw. karikierte diese sogar). Insofern stand auch das aufgestellte Wertesystem von Punk (Unterdrückung, Kapitulation, Untergang etc.) in einem gewissen Einklang mit der Rastafari-Kultur. Ferner war es auch der Reggae, der als einzige Musikform neben Punkrock akzeptiert wurde. Hebdige bezeichnet die Ästhetik des Punk zum Teil als die weiße Übersetzung schwarzer Ethnicity (ethnischer Identität), die sich vergleichbar mit der Kultur der Schwarzen aus namenlosen Sozialbauten, anonymen Arbeitslosenschlangen und unbekannten Slums zusammensetzte. Im Unterschied zur schwarzen Großstadtjugend, die mit dem Reggae in einer Art Phantasiereich lebte, blieben die Punks jedoch unausweichlich an das ‚Hier und Jetzt‘ gekettet.

2.3 Zur Theorie von Herrschaft: Keine Subkultur ohne Vorherrschaft

Subkulturen sind „[…] ausdrucksvolle Formen, in denen – zumindest in letzter Konsequenz – die grundlegende Spannung zwischen den Mächtigen und den zu untergeordnetem Leben zweiter Klasse Verdammten zum Ausdruck kommt.“

Wie den oben angeführten Ausführungen zu entnehmen ist, bilden die jeweiligen herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse ein entscheidendes Kriterium für die Entstehung von Subkultur. Folglich ist jede authentische Subkultur auch ein Repräsentant eines bestimmten Zeitabschnitts, eine (oft widersprüchliche) Antwort auf spezifische Gegebenheiten in einer Gesellschaft.

Um das Verständnis von Subkultur zu verdeutlichen und damit einhergehend die Frage von ästhetischem Widerstand gesellschaftstheoretisch zu verorten, sollen im folgenden die Funktion von Herrschaftsverhältnissen in bezug auf liberal-demokratische, kapitalistische Gesellschaften anhand der marxistisch beeinflußten Theoretiker Louis Althusser und Antonio Gramsci beleuchtet werden. Der ideologiekritische Ansatz des französischen Philosophen Althusser bietet bezüglich der Subkultur, vor allem im Zusammenhang mit Stil und Ästhetik, einen theoretischen Bezugsrahmen. Für Althusser ist Ideologie immer institutionell und weitestgehend unbewußt. Ideologie als ein Begriff, der gleichgesetzt wird mit den herrschenden Vorstellungen einer Gesellschaft, bildet ein wesentliches Element jeder sozialen Ordnung und ist somit auch in allen Aspekten gesellschaftlichen Lebens vorhanden: Hebdige betont, in Anlehnung an den französischen Linguisten Roland Barthes, daß alle kulturellen Handlungen einen semiotischen Wert besitzen und somit selbst in die gewöhnlichsten alltäglichen Erscheinungen hineinreichen. Erzeugt werden diese Zeichen durch Ideologie, d.h. durch die herrschenden Verhältnisse, die sie letztlich repräsentieren. Subkultureller Stil reflektiert insofern Ideologie. Gleichzeitig stellt Subkultur mittels Stil als oppositionelle Praxis den herrschenden Konsens in Frage: „Subkulturen stellen die Legitimität der herrschenden Kulturideologie infrage.“ Die oppositionellen Formen, die von den Subkulturen ausgehen, fließen stilbildend in das Feld der Massenkultur ein.
In diesem Zusammenhang bildet Gramscis Hegemonie-Theorie ein geeignetes Erklärungsmodell. Nach Gramsci können Subkulturen als antihegemoniale Kräfte interpretiert werden, wobei die Populärkultur (als die Ebene, auf der sich gesellschaftlicher Wandel vollzieht) zum Ort wird, an dem Widerstand, Veränderung und Aneignung ausgetragen werden: „Gramsci sieht die Herausbildung einer ’neuen Kultur‘ als wesentliche Bedingung eines jeden revolutionären Prozesses. Er wendet sich damit gegen die Eingrenzung des politischen Kampfes auf die Auseinandersetzung mit entwickelten theoretischen Systemen, gegen die Unterschätzung oder Zurückstellung des Kampffeldes Massenkultur.“ Unter diesem Gesichtspunkt integrieren auch die Cultural Studies die Ideen Gramscis für ihre Forschungszwecke, insbesondere weil das Feld Popularkultur nicht mehr uneingeschränkt als Mittel des Transports dominanter Ideologien betrachtet wird, sondern als Ort der Auseinandersetzung, in dem sozialer Widerstand als auch die produktive Aneignung potentiell mehrdeutiger Inhalte eine neue Bedeutung erhalten. Darüber hinaus wird die Abfolge jugendlicher Subkulturen in bezug auf Gramscis Hegemonie-Konzept als »symbolische Widerstandsformen« gedeutet. Interpretiert werden Subkulturen dementsprechend als auffällige Symptome einer verschleierten gesellschaftlichen Unzufriedenheit, die vor allem für die Nachkriegszeit charakteristisch war.

2.3.1 Zum Ideologiebegriff Althussers

„Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, d.h. die Klasse, welche die herrschende Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht.“                                           (Karl Marx)

Nach Althussers Auffassung drängt sich die Ideologie, als ein System von Vorstellungen, den meisten Menschen unbewußt als Strukturen auf, durch die ihr Handeln letztlich bestimmt wird: „In Wahrheit hat die Ideologie recht wenig mit dem »Bewußtsein« zu tun. […] Sie ist von Grund auf unbewußt. […] Die Ideologie ist zwar ein System von Vorstellungen; aber diese Vorstellungen haben in den meisten Fällen nichts mit dem »Bewußtsein« zu tun: sie sind meistens Bilder, bisweilen Begriffe, aber der Mehrzahl der Menschen drängen sie sich vor allem als Strukturen auf, ohne durch ihr »Bewußtsein« hindurchzugehen. Sie sind wahrgenommene-angenommene-ertragene kulturelle Objekte und wirken funktional auf die Menschen ein durch einen Vorgang, der ihnen entgeht.“
Althussers Verständnis von Ideologie ist insofern kein willentliches Instrument oder eine Form des Bewußtseins, sondern eine Grundstruktur, die das Denken und Handeln der Menschen weitestgehend konstituiert. Die Ideologie liegt überall verborgen; in den alltäglich-sten Objekten und Handlungen: Ideologie ist weniger eine Frage der Ideen, sondern vielmehr eine Art Struktur, „[…] die sich uns aufdrängt, ohne dabei notwendig das Bewußtsein zu passieren. Psychologisch gesehen ist sie weniger ein System expliziter Doktrinen als ein Komplex von Bildern, Symbolen und manchmal auch Vorstellungen, die wir auf einer unbewußten Ebene »leben«. Soziologisch gesehen, besteht sie aus einer Reihe materieller Praxen oder Rituale (wählen, salutieren, sich niederknien usw.), die immer in materielle Institutionen eingebettet sind.“ „Dort, auf der Ebene des normalen ‘gesunden Menschenverstandes’, sind die ideologischen Bezugsrahmen am solidesten eingelagert und üben ihre größte Wirksamkeit aus, weil ihre ideologische Beschaffenheit dort am wirksamsten verborgen bleibt.“ Die Ideologie wird dem Menschen zugewiesen, d.h. auch, daß er in diesen zugewiesenen Kategorien denkt. Das Individuum kann insofern nur auf die Ideen und Vorstellungen zugreifen, die ihm von der dominanten Kultur zur Verfügung gestellt werden. Somit wird Ideologie zum grundlegenden Bestandteil der Konstruktion von Identität und Subjektivität. Althusser verwendet dafür den Begriff »Interpellation«: „Jede Ideologie hat die Funktion, Individuen als Subjekte zu konstituieren. Ist die Interpellation erfolgreich, so definiert das Individuum seine Identität durch die Position, die das Bedeutungssystem ihm zuweist (etwa als Konsument oder als Mitglied einer bestimmten Subkultur).“ Reproduziert wird die Ideologie durch die sogenannten »Ideologischen Staatsapparate« (ISA), dazu gehören bspw. Erziehung, die Bildungsinstitutionen, Religion, Medien usw.: Im Unterschied zur Polizei und zum Strafsystem arbeiten sie gewaltfrei, indem sie in ihren Traditionen und Praktiken die ‚imaginären Beziehungen der Individuen zu ihrer realen Existenz‘ herstellen. „Ideologie ist somit sowohl real (für die Subjekte bzw. deren Erkenntnis der Welt) als auch imaginär (im Sinne der Verschleierung der sozialen Konstitutionen der Exi-stenzbedingungen).“ Jedoch ist Ideologie auch Veränderungen unterworfen. Phänomenologisch gesprochen, verändert sie sich sogar kontinuierlich. Dieser Vorgang soll im folgenden am Beispiel von Gramscis Hegemonie-Konzept näher erörtert werden.

2.3.2 Zur Kultur-Hegemonie-Theorie von Gramsci

„Jedes komplexe Gesellschaftssystem besteht aus verschiedenen, divergierenden Kulturen und einer Reihe von Untergruppen und Subkulturen, wobei diese sich mit ihren Verhaltensnormen, ihren Wertmaßstäben und ihrem Lebensstil gegenüber der dominanten Kultur der herrschenden Klasse behaupten müssen. Die jeweils herrschende Klasse benutzt ihr Konzept der ganzheitlichen Kultur, um ihre Kontrolle der unteren Schichten zu legimitieren.“ Im Unterschied zu Althusser, der sich primär für die staatlichen Institutionen in Form einer freiwilligen Unterwerfung interessiert, betont Gramsics Konzeption vor allem das Verfahren von gesellschaftlicher Herrschaft. Gramsci entwickelt seine Hegemonie-Theorie in Form eines Basis-Überbau-Modells im marxistischen Sinne: Dabei geht sein gesellschaftstheoretischer Ansatz davon aus, daß die moralischen, politischen und kulturellen Werte einer dominanten Minderheit der Mehrheit der Bevölkerung aufoktroyiert werden. Dieser hegemoniale Prozeß reflektiert die herrschenden Vorstellungen der Gesellschaft, was zur Folge hat, daß soziale Veränderung nur schwer möglich scheint. Diese Konstellation ändert sich laut Gramsci erst dann, „[…] wenn es uns gelingt, die Konformität durch eine neue Moral und einen neuen Gesellschaftsentwurf zu durchbrechen.“ Lutter/Reiseleitner schreiben diesbezüglich: „Diese ‚prozessuale‘ Komponente, die den Konsens der untergeordneten Gruppen der Gesellschaft als verhandelte Konstruktion, nicht als gerichtete Indoktrination sieht, die immer auch Elemente der Kultur der Unterdrückten aufnimmt, scheint geeignet, sowohl Raum für Subversion als auch Dominanz durch die faktische Macht der Produktion einzuräumen“. Hegemonie beschreibt in diesem Sinne zunächst das Verfahren, wie es der herrschenden Klasse gelingt, kulturelle Herrschaft aufrechtzuerhalten, als auch diese zu legitimieren. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß der Terminus ‚herrschende Klasse‘ im Sinne Gramscis nicht unmittelbar gleichgesetzt wird mit einer staatlichen Obrigkeit im konventionellen Sinne, sondern vielmehr mit einem komplexen Machtblock, der sich aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zusammensetzt: D.h. bestimmte Gruppen, z.B. Politiker, Kulturschaffende und Massenmedien „[…] haben mehr Einfluß und daher mehr Gelegenheit, Regeln und Bedeutungen festzulegen, während andere schlechter gestellt sind und weniger Macht haben, ihre Ansicht der Dinge darzustellen und der Welt aufzudrücken.“ Dies hat zur Folge, daß sich die „[…] Strukturen und Bedeutungen, welche die Position und die Interessen der mächtig-sten Klasse – wie komplex diese in sich auch gegliedert sein mag – am adäquatesten reflektieren, […] sich im Verhältnis zu allen anderen als dominante soziokulturelle Ordnung behaupten“ werden. Hegemonie erfordert, um erfolgreich und dauerhaft wirken zu können, grundsätzlich die Zustimmung der untergeordneten Klassen: Hegemonie, so Gramsci, ist ein ‚bewegliches Gleichgewicht‘ bestehend aus Kräfteverhältnissen, Kompromissen und gefundenen Lösungen, das sich zwischen rivalisierenden Gruppen eingependelt hat. Gramscis Hegemoniebegriff unterscheidet sich damit deutlich von der üblichen Verwendung des Wortes, das im konventionellen Sinne vor allem als die unbegrenzte Ausübung von Klassenmacht definiert wird.
Laut Gramsci findet der zentrale Übergang von „[…] Ideologie als ein »System der Vor-stellungen« zu Ideologie als gelebter, habitueller gesellschaftlicher Praxis statt – der vermutlich die unbewußten, unartikulierten Dimensionen gesellschaftlicher Erfahrungen ebenso erfaßt wie formelle Institutionen.“ Gramscis Hegemonie-Konzept betont zudem den dynamischen Charakter der Konsensbildung zwischen den dominanten und unterdrückten Bedeutungen im kulturellen Feld: Denn Hegemonie garantiert keine permanente Herrschaft einer bestimmten Klasse, sondern muß immer wieder ‚gewonnen‘, ‚errungen‘, ‚reproduziert‘ und ‚erhalten‘ werden. Hall umschreibt Gramscis Hegemoniebegriff insofern als die vorläufige Allianz gesellschaftlicher Gruppen, die ‚völlige soziale Autorität‘ über andere untergeordnete Gruppen ausüben. Das bedeutet, die untergeordneten Klassen werden mittels Hegemonie in einem von der herrschenden Klasse bestimmten ideologischen Raum eingemeindet; dieser wird aber von den beherrschten Gruppen nicht im geringsten als ideologisch, sondern vielmehr als gegeben bzw. als ’natürlich‘ empfunden. Die hegemoniale Ordnung schreibt dabei weniger den „[…] spezifischen Inhalt der Ideen vor, sondern vielmehr die Grenzen, innerhalb denen Ideen und Konflikte sich bewegen dürfen und gelöst werden.“ Vermittelt wird Hegemonie (ähnlich wie bei Althusser) durch die Institutionen und Organisationen der ’società civile‘, der Zivilgesellschaft (Familie, Schule, Kirche, Kunst, Literatur, Medien). Die Zivilgesellschaft im Sinne Gramscis umfaßt „[…] den ganzen ‚lebensweltlichen‘ Bereich von Alltag und Kultur, unter Einschluß des Ästhetischen“. Gleichzeitig, oder gerade deswegen, ist die Zivilgesellschaft auch der Ort, „[…] an dem sich Widerstand gegen gegebene Machtverhältnisse zu artikulieren vermag“.
3 Protest und Widerstand am Beispiel Punk

ANARCHY IN THE UK

Right ! NOW ! ha ha ha ha ha

1    I am an Anti-Christ                                    2    Anarchy for the U.K.
I am an Anarchist.                                            It’d coming sometime, maybe.
Don’t know what I want                                Give the wrong time
but I know how to get it                                Stop a traffic line
I wanna destroy the passers-by                    Your future dream is a shopping scheme
Because I wanna be Anarchy                        ‘Cause I wanna be Anarchy in the city.
No dog’s body!

3    Not many ways to get what you want        4    Is it the M.P.L.A.?
I use the best I use the rest.                            Is it the U.D.A?
I use the N.M.E., I use Anarchy,                    Is it the I.R.A?
‘Cause I wanna be Anarchy,                        I thought it was the U.K.
It’s the only way to be.                                    Or just another country,
Another council tenancy.

And I wanna be Anarchy
And I wanna be Anarchy
Know, what I mean?
And I wanna be Anarchist
Get pissed
Destroy…

Unter Berücksichtigung des im ersten Teil der Arbeit entwickelten theoretischen Bezugsrahmens, sollen im folgenden subkultureller Protest und Widerstand am Beispiel des Punk thematisiert werden. Wie bereits angesprochen, werden Begriffe wie Protest und Widerstand im Zusammenhang von Subkultur als ein »Nichteinverstandensein« mit der herrschenden Kultur verstanden. Subkultureller Widerstand muß insofern aus dem Blickwinkel seiner ästhetischen Konzeption, in symbolischen Kategorien, gedacht werden. Symbolischer Widerstand vollzieht sich zunächst auf der Ebene des Stils, wobei sich der Begriff Stil auf die gesamte ästhetische Praxis von Subkultur bezieht. In diesem Kontext scheint mir der Terminus »ästhetische Opposition« durchaus geeignet. Symbolischer Widerstand ist in diesem Sinne nicht nur ein Angriff gegen die herrschende Kultur (im Sinne von Traditionen oder moralischen Vorstellungen), sondern auch subversiver Akt gegen die vorherrschende ästhetische Form, d.h. die etablierte Form, in der bestimmte gesellschaftliche Zustände eingearbeitet sind. Ihre deutlichste Manifestation findet die etablierte Form in der Perfektion und Vervielfältigung, indem sie letztendlich zur Massenware wird: „Das serielle Produkt […] steht am Ende eines Formbegriffs, der Zufall, Spontanität und Einzigartigkeit (also jede Spur des Menschlichen) zu eleminieren versuchte: eine Kultur, die den Wert ihrer Kunstwerke in deren Zeitlosigkeit begründet sieht, kann den Fehler, den Makel, jene Spuren von Individualität, die das anarchische, unberechenbare ausdrücken, nicht dulden.“

Bevor ich mich näher der subkulturell-ästhetischen Praxis des Punk zuwende, wird es zunächst erforderlich sein, die gesellschaftlichen Verhältnisse in England Mitte der 70er Jahre näher zu beleuchten. Denn das Phänomen Punk als Jugendbewegung muß zu einem beträchtlichen Teil als Reflex auf tiefgreifende Veränderungen sozialer Bedingungen verstanden werden. Die sozialen Bedingungen in einer Gesellschaft stellen, wie bereits eingangs angemerkt wurde, den Ausgangspunkt für die Besonderheiten und Differenzen jeder Subkultur. Sie werden (wenn auch oft in widersprüchlicher Form) im subkulturellen Stil reflektiert – wie im folgenden noch zu sehen sein wird. Eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in der die jeweilige Subkultur gedeiht, ist insofern unabdingbar, wenn es darum geht, ihren spezifischen Stil zu befragen und zu analysieren.

3.1 Die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse in England um 1975

„Es fällt schwer, sich sechzehn Jahre später an das Lebensgefühl in England 1975 zu erinnern“

Die soziale Stimmung in England Mitte der 70er Jahre war gekennzeichnet durch wirtschaftliche Rezession, Arbeitslosigkeit, Sozialabbau und Rassenunruhen. Der Nordirlandkrieg verschärfte sich, und die IRA-Bombenattentate schürten die schlechte Stimmung. Die Idee des Kapitalismus und die Wohlstandsideologie der 50er und 60er Jahre waren in den 70er Jahren in eine schwere Krise geraten: Die Arbeitslosigkeit verdoppelte sich in England in den Jahren 1975 – 1977 von 700.000 auf 1,4 Millionen. Besonders betroffen waren von dieser Misere die Jugendlichen, vor allem die der Arbeiterklasse: 1977 lag die Zahl der beschäftigungslosen Jugendlichen unter 18 Jahren bei den Mädchen um 29,6 Prozent und bei den Jungen um 28,6 Prozent. Die Arbeitslosenunterstützung von knapp 18 Pfund Sterling pro Woche brachte die Jugendlichen nahe an das amtlich festgestellte Existenzminimum. Im Zuge der sich abzeichnenden Wirtschaftskrise nahmen die Lebenshaltungskosten drastisch zu. Die Inflationsrate des britischen Pfunds lag 1975 bei ca. 26 Prozent. Um der Krise entgegenzusteuern, wurden Gehälter ab einer bestimmten Einkommensklasse eingefroren; Gewerkschaften und Arbeitslose gingen auf die Straße und forderten ein Recht auf Arbeit: „A ‚Right to Work‘ march of over 1,000 unemployed made its way from London to Blackpool to lobby the Trade Union Congres (TUC) at its annual conference over the issue of mounting unemployment.“ Der wirtschaftliche Niedergang führte auch zu massiven sozialen Veränderungen: Die anhaltende Arbeitslosigkeit und zunehmende Armut förderte die Assozialisierung größerer Teile der Arbeiterklasse. Der Steuerausfall machte sich zudem in den kommunalen Verwaltungen bemerkbar, insbesondere bei Müllabfuhr und Straßenbau. Viele der sozial schwächeren Stadtviertel verwahrlosten in den 70er Jahren zusehens. Die drastisch zurückgefahrenen Sozialausgaben im Bildungsetat führten dazu, daß die Schulklassen immer größer wurden, während gleichzeitig die Anzahl der Lehrer zurückging.
Ferner gab es bereits seit den späten 60er Jahren großangelegte »Rehousing-Projekte«, bei denen Slums gesäubert und abgerissen wurden: Die Bewohner solcher Gebiete wurden in sterile Betonbauten umgesiedelt, wodurch nicht zuletzt langjährige städtische Lebensgemeinschaften zerstört wurden. Neue Häuser wurden im Zuge dieser Maßnahmen hingegen kaum gebaut. Gleichzeitig gab es viele illegal besetzte Häuser: Alleine in London (dem Epizentrum der Punkbewegung) zählte man damals ca. 50.000 Hausbesetzer, die sogar durch eine Art Gewerkschaft organisiert waren: „Hausbesetzungen waren damals sowohl eine ideologische Entscheidung – ‚gegründet auf der Erkenntnis der Sinnlosigkeit und Dummheit der Arbeit‘ – als auch eine praktische Lösung für ein grundlegendes Bedürfnis. […] Zusammen mit dem Arbeitslosengeld machten Hausbesetzungen das Leben in Central London möglich und finanzierbar. Die schnelle Zuwanderung in die Stadt während der Punk-Zeit wurde so ermöglicht.“ Stuart Hall umschreibt den wirtschaftlichen Niedergang Englands als „[…] die deutliche Ausprägung einer ausgewachsenen kapitalistischen Rezession, mit extrem hoher Inflationsrate, einer in den Keller stürzenden Währung, einer brutalen Verschlechterung des Lebensstandards und der Preisgabe der Arbeiterklasse zugunsten des Kapitals.“

Im Zuge der wirtschaftlichen und sozialen Misere setzte ein politischer Konfrontationskurs ein, der sich gegen „[…] Gewerkschaften, Friedensbewegungen, Ausländer, den moralischen Verfall der Jugend, kurz: gegen alles richtete, was links von der äußersten Rechten stand und keine kapitalintensiven Interessen zu vertreten hatte.“ Immer häufiger kam es zu Rassenunruhen, indem man die im Lande lebenden Minoritäten für die wirtschaftliche und soziale Misere verantwortlich machte: Im August 1976 kam es auf dem Londoner Karneval von Notting Hill, einem sonst traditionellen ‚Musterbeispiel rassischer Harmonie‘, so Hebdige, zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und der schwarzen Bevölkerung. Tagelang lieferten sich farbige Jugendliche eine bürgerkriegsähnliche Schlacht mit der berittenen Polizei. Parteien des rechten Spektrums erhielten unter diesen Umständen regen Zulauf: Bei den Wahlen im Sommer 1976 verzeichnete allein die rechts-konservative National Front über 18 Prozent der Stimmen. Derartige Entwicklungen veranlaßten wiederrum das linke Lager, repräsentiert insbesondere durch die International Marxist Group (IMG), zu Gegendemonstrationen, die nicht selten in offenen Auseinandersetzungen endeten.
Im Zuge dieser gesellschaftlichen Polarisierung erlebten auch einige jugendliche Subkulturen ein erneutes Revival. Während sich Skins und Teds ideologisch mit dem rechten Spektrum identifizierten, fühlten sich andere Gruppierungen, wie bspw. die Soulboys oder die sich gerade formierende Punkbewegung, vom linken Flügel angezogen. Nicht selten führten solch unterschiedliche »Glaubensbekenntnisse« zu Straßenschlachten, die unter anderem auch gerne von den Medien aufgegriffen wurden. Die Wohlstandsideologie der 50er Jahre und die überlieferten Ideale der Flower-Power-Ära wie Gleichheit, Emanzipation und Freiheit schienen immer deutlicher ins Wanken zu geraten: „Die ganze Idee des »Konsens«, die die Politik und das soziale Leben beherrscht hatte, löste sich in ein nichts auf: es war, als würde sich das Nachkriegsideal der Freiheit des Massenkonsumenten, das die Premierminister der beiden Parteien gefördert hatten, als Schwindel herausstellen. Die leuchtenden Farben, die »Klassenlosigkeit« und besonders der Optimismus der 60er Jahre, erschienen nun wie ein Trugbild.“
Das psycho-soziale Klima in England wurde im Sommer 1976 ferner durch eine außergewöhnlich lang anhaltende Hitzewelle untermauert. Hebdige beschreibt dieses Szenario mit einer apokalyptischen Rhetorik, die seinerzeit auch den allgemeinen Tenor der englischen Boulevardpresse bestimmte: „Im August erklärte man die Hitzewelle offiziell zur Dürrekatastrophe und rationierte das Wasser. Es gab Mißernten, und der Rasen des Hyde Park verbrannte zu einem zart ockergelben Ton. Das Ende war nah, und die Presse holte wieder die Metaphorik des jüngsten Tages hervor. Ökonomische Kategorien, Kultur- und Naturphänomene wurden mit mehr als der üblichen Hingabe durcheinandergebracht, bis die Dürre eine fast metaphysische Bedeutung annahm. Man ernannte einen Minister für Dürre – die Natur war mittlerweile offiziell für »unnatürlich« erklärt worden – und zog all die uralten Schlußfolgerungen mit einem obligatorischen Schuß Ironie, um innerhalb der Grenzen des gesunden Menschenverstandes zu bleiben.“ Ein Aufmacher der Sun lautete entsprechend: „Die Aasgeier verdunkelten schon den Himmel.“

„Vor diesem Hintergrund“, betont Wicke, „erschienen die Sex Pistols wie eine Verkörperung der allgemeinen Situation. Sie lieferten der Krise eine kulturelle Symbolik, die die Pathologie dieser Gesellschaft ins Monströse steigerte, gaben dem Verfall eine anschauliche und greifbare Form, indem sie ihn in Chaos und Anarchie übersetzten. Ihre erste Single, Anarchy in the UK, ist symptomatisch dafür. […] Als einzige Botschaft hing über dem Ganzen der unablässig wiederholte Slogan: NO FUTURE.“

4 Zur Ästhetik der Subkultur

„Die Probe auf eine wahrhaft radikale Ästhetik besteht in deren Fähigkeit, als Gesellschaftskritik wirksam zu werden, ohne zugleich einer politischen Indienstnahme Vorschub zu leisten.“

Bevor ich mich näher dem primären Ort des subkulturellen Widerstands – der Stilebene – zuwende, möchte ich einen kurzen Überblick verschaffen über das Beziehungsverhältnis zwischen der Ästhetik und der Kritik in seiner historischen Auseinandersetzung. Die Ästhetik wird spätestens seit dem 18. Jahrhundert durch Alexander Gottlieb Baumgarten in seiner Kunst des schönen Denkens als philosophische Disziplin systematisiert: 1. Nach Baumgarten ist Ästhetik die ‚Kritik des Denkens‘. 2. Kant definiert die Ästhetik als die ‚Kritik der Urteilskraft‘ – sie fungiert damit als Regulativ zwischen der Anschauung und der Vernunft. 3. Das ästhetische Denken generiert zum ‚Modell für nicht-instrumentelle Denkformen‘. Es kritisiert ferner die Phantasielosigkeit des Bestehenden. 4. Das Ästhetische erhält eine Doppelfunktion: Es wirkt abbildend und wirklichkeitsbildend. Letztere Definition, ohne die anderen ausschließen zu wollen, scheint mir am deutlichsten mit dem ästhetischen Konzept der Subkulturen konform zu laufen.

Die ästhetische Praxis der Subkulturen, also die Produktion von subkulturellem Stil, ist weniger ein künstlerischer oder geistiger Akt, sondern ein »sozialer Prozeß« der in enger Verbindung zum Alltagsleben der Subkulturen steht: „Subkulturen sind explizit Sozialkulturen und nur so als ästhetische Kulturen verstehbar. Ihre ästhetische Produktion als solche kann nicht von den fundamentalen, den Alltag durchziehenden Produktionsverhältnissen getrennt werden: sofern Subkulturen Kunst (oder Kunstähnliches) hervorbringen, stellen sie nichts vom übrigen Lebenszusammenhang Besonderes her.“ Dies ist ein entscheidender Punkt, indem es nicht nur darum geht, die eigene »Lebenswelt« zu ästhetisieren (auch wenn das bei den Beats der Fall gewesen sein mag), sondern die Erfahrungen und die sozialen Realitäten des alltäglichen Lebens in ästhetischer Weise (und zwar zeitgemäß) umzusetzen: „Ästhetik ist die Verpflichtung zu einer Form, die einer Idee über das Leben entspringt oder eine innere Harmonie zum Ausdruck bringt und die nicht nur sklavisch der Effizienz oder der Überredung zum Konsum dient. Erst recht kann sie nicht Selbstzweck sein. Ästhetik transzendiert bloße Funktion und bloßen Protest. Durch sie erheben wir uns über Borniertheit, Stumpfsinn und Gleichgültigkeit und werden zu Menschen.“

4.1 Die Bedeutung von Stil

„Wenn Du alles über Andy Warhol wissen willst, so schaue dir nur die Oberfläche meiner Bilder und Filme und mich an, und da bin ich. Es ist nichts dahinter.“
(Andy Warhol)

„Subkulturen haben Stil oder bilden Stil, darin heben sie sich von der ‚Massenkultur‘ und von anderen Gruppen ab. Stil ist ein Kriterium, das die Subkulturen nicht von außen her definiert, sondern von ihnen ausgeht, es ist ihre Orientierung und ist ihre Identität.“ Um sich dem Thema Stil in bezug auf Subkulturen anzunähern, sollen im folgenden bestimmte Merkmale herausgearbeitet werden, an die sich der Begriff bindet. Die hervor-stechenste Eigenschaft von Stil im herkömmlichen Sinne ist seine kommunikative Eigenschaft: „Während Biographie und Weltanschauung innere Angelegenheiten sind, ist Stil per se kommunikativ. Je feiner und raffinierter ein Stil ist, um so mehr erzählt er über seinen Träger. Er berichtet vom Wissen des Trägers, von dessen Selbstbewußtsein, von seinem Charme, seiner Zugehörigkeit zu einer Subkultur, ja von seiner Intelligenz.“

Subkultureller Stil impliziert eine ganze Reihe verschiedener Bedeutungen. Er ist Lebensform, Lebenshaltung, Identitätsbildung, Angriff, Abgrenzung, Problembewältigung und Scheinlösung. Der primäre Sinn aller auffälligen subkulturellen Stile läßt sich, so Hebdige, jedoch darauf reduzieren, einen „[…] bedeutungsvollen Unterschied (und parallel dazu eine Gruppenidentität) mitzuteilen. Alle anderen Bedeutungen und Aussagen sind dem untergeordnet: es ist die Botschaft durch die alle anderen Botschaften sich mitteilen.“ In der Entstehungsphase, d.h. während seiner Formierung und Ausdifferenzierung, sind die Vorschriften und Regeln eines subkulturellen Stils noch weitestgehend unbestimmt. Wenn der Prozeß der Stilbildung anhält, werden die Formen konkreter. Es entsteht ein relativ bindender Formenkanon; bestimmte Stilvarianten, die der Eingeweihte beherrschen muß: „Das jeweilige Image garantierte den Mitgliedern der Gruppe klare Grenzziehungen und konturierte Identitäten.“ Mittels Stil werden demnach die Grenzen zwischen den Mitgliedern und allen Außenstehenden festgelegt. Eine ganze Reihe subkultureller Gruppierungen (vor allem die stilbetonten der Arbeiterklasse) müssen ferner zu einem nicht unwesentlichen Teil als Gegenreaktionen zeitgleich auftretender Stile verstanden werden. Das impliziert unter anderem, daß sich bestimmte stilistische Eigenheiten und Formen nur deshalb ent-wickelten, um Gegensätze oder unterschiedliche Ansichten offensichtlich zum Ausdruck zu bringen. Nicht selten führten diese Rivalitäten unterschiedlicher Lebenstile zu handgreiflichen Auseinandersetzungen (Bsp. Rockers/Mods oder Teds/Punks): „Ihre Feindschaft war in den bloßen Aufbau der beiden Stile eingeprägt; in der Art und Weise, wie sie Bedeutung mitteilten (oder mitzuteilen ablehnten).“

Subkultureller Stil setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen. Dazu können gehören: bestimmte Einstellungen, Habitus, Kleidung, Frisur, Idole, Accesoires, Sprache, Graffitis, besondere Verhaltensweisen (z.B. Körpersprache oder Gang) und Riten (z.B. spezielle Drogen), bestimmte Räume und Territorien, spezifische Bedürfnisse und, nicht zu vergessen, die Musik. Die Musik bildet in der Regel das Zentrum des subkulturellen Stils, um das sich alle anderen Stilelemente bewegen. Sie ist das wichtigste Stilelement, betont Richard, „[…] der ästhetische und kulturelle Kern subkultureller Lebensformen.“ Die einzelnen stilbildenden Objekte bilden den übergreifenden Stil, der die zentralen Werte der Gruppe reflektiert: „Stil ist damit Teil eines umfassenden sozialen Orientierungssystems von Symbolen, das die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Lebensform demonstriert.“ Im Unterschied zum herkömmlichen Stil, bezeichnet Hebdige den Stil der Subkulturen als »absichtliche Kommunikation«: Die normale, durchschnittliche Kleidung drückt eine ganze Reihe von signifikanten Botschaften aus. Sie vermittelt Status, Attraktivität und Selbstbild, gleichzeitig vermittelt sie aber auch Normalsein, Natürlichkeit und Angepaßtheit. Die »absichtliche Kommunikation« hingegen ist durch eine andere Ordnung gekennzeichnet. Denn sie ist eine sichtbare Konstruktion, eine mit Bedeutung beladene Wahl, sie erregt Aufmerksamkeit und möchte gelesen werden. Subkultureller Stil unterscheidet sich damit vom normalen Stil, denn er wird offensichtlich und künstlich hergestellt, impliziert eigene Codes und demonstriert damit ihren Gebrauch und ihren Mißbrauch. Subkultureller Stil ist durch eine besondere innere Logik gekennzeichnet. Paul Willis verwendet dafür den Be-griff »Stilhomologie«. Dieser beschreibt „[…] inwieweit besondere Gegenstände in ihrer Struktur und ihrem Gehalt der Struktur, dem Stil, den typischen Anliegen, Einstellungen und Gefühlen der sozialen Gruppe entsprechen und diese reflektieren.“ Stilhomologie heißt aber auch, daß alle Elemente eines subkulturellen Stils in Interaktion stehen bzw. über eine gewisse interne Stimmigkeit verfügen. Hebdige versucht, Willis Homologiekonzept am Beispiel des Punk zu erklären, indem er Beziehungen zwischen der Schmähsprache, den Cut-up-Klamotten, ihrem Tanzstil (dem Pogo) den Speed-Tabletten, den Revoluzzerposen, der Aufmachung ihrer Fanzines und der seelenlosen Musik sieht.
Subkultureller Stil muß wie jeder andere Trend in Musik, Film oder Kunst auf bestimmte soziale, künstlerische, technische Gegebenheiten als auch auf neue Sichtweisen reagieren um nachhaltig erfolgreich zu sein: „[…] wenn ein Stil wirklich zündend sein und wirklich populär werden will, dann muß er die richtigen Sachen in der richtigen Art und zur richtigen Zeit sagen. Er muß eine Stimmung vorausahnen oder ein bestimmtes Moment in sich tragen. Er muß eine Sensibilität verkörpern – und die im Punk-Stil verkörperte Sensibilität war im wesentlichen aus der Bahn geworfen, war ironisch und sich selbst gewiß.“

4.1.1 Die Produktion von Stil am Beispiel der Bricolage

„Subkulturen besetzen augenscheinlich beliebig und unbekümmert ästhetische Formen, die dann oftmals re- und dekodiert werden, um so zumindest zeitweise Autonomie gegenüber den herrschenden Zuständen zu erwirken.“

Stil kann nach Bazon Brock vier Bedeutungsebenen haben: Er kann ‚Kulturtechnik‘, ‚Kampfprinzip‘, ‚Lebensform‘ oder ‚Systemstrategie‘ sein. Die Erzeugung von Stil spielt eine bedeutsame und essentielle Rolle im Leben der Subkulturen. Sie ist ein kollektiver Prozeß der Aneignung und Selektion sowie der Transformation gesellschaftlich etablierter Zeichen und Traditionen. Stil beinhaltet die „[…] aktive Stilisierung, die aktive Organisation von Objekten mit Aktivitäten und Ansichten, welche eine organisierte Gruppen-Identität in Form einer kohärenten und eigenständigen Daseinsweise in der Welt produzieren.“

Die Autoren des CCCS verstehen den Kern der Stilschöpfung als Opposition zu den partiellen Werten der größeren Gesellschaft. Die frühen Versuche des CCCS, Kultur zu theoretisieren und eine Methode für die Interpretation kultureller Texte und Praktiken zu finden, führten zum linguistischen Strukturalismus. Um den Prozeß der Stilbildung zu verorten, adaptierten Clarke u.a., etwas eklektisch, den von Claude Lèvi-Strauss geprägten Begriff der Bricolage. Ergänzt bzw. vermittelt werden die Ideen Lèvi-Strauss’ vor allem durch die Arbeiten des Anthropologen Roland Barthes. Nach Barthes werden die „[…] ursprünglichen Bedeutungen verbaler und visueller Zeichen (die Denotationen) von einem System weitreichender kultureller Assoziationen überlagert, den Konnotationen. Diese bilden ein System an konsensualer Bedeutungszuschreibung, das im Sinne der herrschenden Klasse operiert, sich jedoch für alle verbindlich darstellt.“

Der Begriff Bricolage (Bastelei), der Prozeß der Stilbildung, beschreibt zunächst die Neuordnung und Rekontextualisierung von Objekten und Zeichen. Diese Rekontextualisierung gewohnter Diskurse führt letztlich dazu, daß neue Bedeutungen entstehen. Das Rohmaterial der Stilbildung wird dabei aus dem Gesamtsystem der Bedeutungen, d.h. der umfassenden Kultur, entnommen: „Wenn aber der bricoleur (Bastler) das signifikante Objekt innerhalb dieses Diskurses in eine andere Position versetzt, und zwar unter Verwendung des gleichen Gesamtrepertoires an Zeichen, oder wenn das Objekt in eine andere Gesamtheit von Zeichen versetzt wird, dann entsteht ein neuer Diskurs, und eine andere Botschaft wird vermittelt.“  D.h. die Mitglieder einer Subkultur müssen auf die Zeichen der herrschenden Kultur zurückgreifen, denen bereits sedimentierte Bedeutungen anhaften. Selbst die massenproduzierte Ware (z.B. ein Anzug) ist bereits durch den vorherrschenden Bedeutungsrahmen mit vorrangigen Botschaften ausgestattet: „Da sie für spezifische Märkte produziert wurden, enthalten sie bereits Bedeutung und Botschaften, die etwas mit der ungleichen Verfügung über Waren zu tun haben und etwas über unterschiedlich bewertete Lebensstile aussagen. Eine Transformation oder Bedeutungsverschiebung, um vorher disqualifizierte Lebensstile aufzuwerten oder um Klassenkonflikte auszudrücken, kann stattfinden, weil Botschaften in dieser Art in diesen Waren bereits »eingeschrieben« sind.“ Objekte und Waren sind insofern nichts anderes als kulturelle Zeichen, indem sie bereits von der herrschenden Kultur [durch Traditionen, Medien, Werbung etc., Anm. O.S.] mit bestimmten Bedeutungen, Assoziationen und sozialen Konnotationen ausgestattet sind. Sie sind Bedeutungscodes, die uns als natürlich und gegeben erscheinen.
Die entlehnten Elemente erhalten durch die subkulturelle Stilschöpfung eine neue Bedeutung, da sie zu einem neuen, eigenen stilistischen Ensemble zusammengefügt werden; aber auch „[…] weil die symbolischen Objekte – Kleidung, Aussehen, Sprache, Rituale, Interaktionsstile, Musik eine Einheit mit den Beziehungen, Situationen, Erfahrungen der Gruppe bilden sollten: die Kristallisierung in einer expressiven Form, die dann die öffentliche Identität der Gruppe definierte.“ Die konsensuale Bedeutungszuschreibung bildet die grundlegende Voraussetzung für subkulturellen Protest. Denn nur bestehende Zeichen werden von den Rezeptienten verstanden: „Neu erfundene Zeichen können nichts ausrichten, wenn sie nicht in der Lage sind, benutzte Zeichen von ihrer ursprünglichen Bedeutung zu suspendieren und in der Gegenüberstellung von neuer und alter Bedeutung eine Spannung zu erzeugen.“ „Die Schöpfung kultureller Stile umfaßt also“ ,so Clarke, „eine differenzierte Selektion aus der Matrix des Bestehenden.“

Von vielen Exponenten wird das ästhetische Prinzip der Bricolage mit den Collagen der Futuristen, Dadaisten und Surrealisten bis hin zum Readymade eines Marcel Duchamp verglichen. Auch Hebdige sieht zwischen der Collage und der Bricolage offensichtliche Parallelen: Die radikal ästhetischen Praktiken von Dada, dem Readymade, der Traumarbeit usw. sind für Hebdige die klassischen Formen anarchistischer Diskurse. Hebdige verweist in seinen Ausführungen insbesondere auf die Ideen des Surrealisten Andrè Breton, der schon 1924 in einem seiner Manifeste die Auffassung vertrat, daß die gezielte Zerstörung der vorherrschenden logischen Kategorien eine neue Wirklichkeit erzeugen könnte. Der subversive Stil des Punk veranschaulichte das Prinzip der Bricolage am deutlichsten von allen Subkulturen, indem er versuchte, Bedeutungen durch Verwirrung und Verunstaltung nicht nur zu dekonstruieren, sondern auch neu zu bilden. Punk war direkt, offensiv und bedrohlich. Jeder Gegenstand schien passend, ob Rasierklinge, Nadel, Tampon oder Elektronikteil: „Solange nur der Bruch zwischen ’natürlichem‘ und konstruiertem Zusammenhang klar sichtbar blieb, konnte jedes sinnlose oder sinnvolle Ding zum Teil der Konfrontationskleidung der Punks werden.“

4.1.2 Stil als symbolische Kritik

Subkulturen sind Mechanismen semantischer Unordnung, „[…] eine Art zeitweilige Blockade in den gewohnten Darstellungssystemen.“

Subkulturen fordern die Hegemonie heraus. Die Herausforderung geht aber nicht von ihnen direkt aus, sondern wird indirekt durch Stil ausgedrückt und „[…] auf der im Grunde oberflächlichen Ebene der Erscheinungen eingebracht.“ Kritik und Widerspruch werden insofern symbolisch auf der Oberfläche des Stils zur Schau gestellt: „Im Stil entwickeln Subkulturen eine spezielle Ästhetik, die eine indirekte Herausforderung der gesellschaftlichen Mächte ausdrücken soll. Stilbildung ist das Aufspüren und die Präsentation von erfahrenen Widersprüchen auf unterschiedlichen sinnlichen Ebenen. Stilbildung ist die Konkretisierung von Vereinnahmungs- und Widerstandsprozessen, durch welche die kulturelle Dialektik unserer Warengesellschaft zu charakterisieren ist.“ Gesellschaftliche Wertesysteme sind eng verbunden mit Begriffen der sozialen Ordnung. Diese soziale Ordnung schreibt uns durch universale Regeln und Tabus die Grenzen unserer Verhaltensweisen und Ausdrucksformen vor. Insofern werden auch unsere sozialen Erfahrungen durch solche autorisierten Codes bestimmt und geformt. Werden diese Codes verletzt, führt dies in der Regel zu heftigen Provokationen: Stil ist „[…] pregnant with significance. Its transformation goes ‚against nature‘ interrupting the process of ’normalisation‘. As such, they are gestures, movements towards a speech which offends the ’silent majority‘, which challenges the principle of unity and cohesion, which contradicts the myth of consensus.“

Subkulturen sind Widerstandsformen, die das vorherrschende Ordnungssystem unterwandern, indem sie in ihrem Stil verbotene Inhalte ausdrücken. Damit signalisieren sie aber nicht nur potentielle Anarchie, sondern verletzen auch die soziale Ordnung: „Dramatisch neue Entwicklungen, die im Rahmen der konventionellen, allgemeingültigen Normen »sinnlos« sind, fordern das normative Gefüge der Welt heraus. Sie stellen unsere Einschätzungen und Definitionen der Welt in Frage.“ Die Befragung des herrschenden gesellschaftlichen Konsens durch oppositionelle Teilkulturen kann dazu führen, daß die normativen Verhaltens- und Denkmuster (zumindest) verwischen.

4.2 Zur kulturellen Konzeption von Punk

„Der destruktive Charakter ist gar nicht daran interessiert, verstanden zu werden. Bemühungen in dieser Richtung betrachtet er als oberflächlich.“  (Walter Benjamin)

„Our politics were clear in ‚Anarchy‘. We weren’t political in the sence of saying: be a Socialist, be a Tory, be a Communist. We were political in the sence that we didn’t even entertain the idea of politics, it was below us. It was anarchy in its pures sence: self-determination: We couldn’t, we felt, do much about changing the system, but we weren’t going to let the system do anything to us. We wantet to live our lives how we wanted to live them – and we went out and did it“, betont Glen Matlock, ehemaliger Kunststudent, Gründungsmitglied und Bassist der Sex Pistols in seiner Punkhistorie I was a Teenage Sex Pistol. Diese Aussage bringt den Kern von Punk schon weitestgehend zum Ausdruck, nämlich das Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit, losgelöst von allen gesellschaftlichen Zwängen: „Befreit Euch aus Euren Ketten und Sicherheitsnadeln/Elende Sklaven/Eure gefärbten Haare sind Eure Judensterne“ , lautet eine entsprechende Textstelle der Gruppe Automatic Artists.

Der Begriff Konzept erweist sich in bezug auf Kultur als (etwas) problematisch, da er eine bewußte Planung impliziert. Dennoch wäre es falsch, kulturelle Entwicklungen als rein zufällige Phänomene zu betrachten. Denn vielfach verweisen kulturelle Praxen, insbesondere die von Subkulturen, auf eine logische Stringenz, indem sie in ihrer Gesamtheit in sich geschlossene Systeme darstellen: „Das Funktionieren als Subkultur impliziert, daß die verschiedenen Bereiche [z.B. Ideologie, Musik, Attitüde, Anm. O.S.] miteinander korrespondieren.“ Auch Punk ist trotz seines chaotischen Erscheinungsbildes in sich durch eine besondere Stimmigkeit gekennzeichnet. Aber nicht nur als subkulturelles System, wie noch aufzuzeigen sein wird, sondern auch in seiner künstlerischen Realisierung ist Punk vielschichtig und interdisziplinär angelegt: „Like other movements in the historical avant-garde, it was an interdisciplinary movement which included visual art, literatur and performance.“ Punk reduziert sich somit nicht allein auf das Phänomen Subkultur im Sinne einer Jugendbewegung, sondern manifestiert sich ferner auch als Trend bzw. als Zeitgeist, der deutlich auf verschiedenste Bereiche der Kunst Einfluß nimmt. Aufgrund der inhaltlichen Abgrenzung werde ich auf diesen Aspekt nicht weiter eingehen.

Die Ideologie von Punk konkret zu bestimmen, gestaltet sich zunächst als schwierig, da Ziele weitestgehend nicht formuliert bzw. schlichtweg nicht vorhanden waren. Andererseits scheint gerade dieser diffuse und destruktive Habitus das Wesen von Punk als auch sein bedrohliches Moment zu bestimmen: „Das Fehlen einer umfassenden, festgelegten Ideologie wurde heftig kritisiert, aber ebenso wie Punk am einflußreichsten war, als er noch nicht definiert war, ist dies keine Schwäche, sondern eine Stärke.“ Punk war in seiner konzeptionellen Ausdifferenzierung das Gegenstück zur »Krise des moderen Lebens«, gekennzeichnet durch Arbeitslosenzahlen, Wirtschaftskrise, Wahnsinnsautobahnen, das Fernsehen usw. Damit reagierte Punk in überhöhter Form, quasi als Karikatur, auf die zunehmende Isolierung und gesellschaftliche Entfremdung durch Fortschritts- und Zivilisationsdynamik: „Für Punk glich die moderne Zivilisation einem Trümmerfeld, das keine Zukunft mehr hatte.“ Punk war, so Hebdige, ein freiwilliges Exil der Hoffnungslosigkeit – fiktional und real zugleich. Skai tendiert zu einer ähnlichen Betrachtungsweise, indem er Punk als primären Reflex auf die empfundene Monotonie und Langeweile der Großstädte und Trabantensiedlungen der 70er Jahre in England wertet. Punk, so Skai, hatte nichts im Sinn mit einer neuen linksradikalen Position und besaß auch keine nennenswerte politische Dimension. Die Ideologie des Punk richtete sich nicht ausdrücklich gegen ein bestimmtes politisches System, sondern gegen alle Wertvorstellungen von Gesellschaft und Kultur, die durch den Kapitalismus hervorgebracht worden waren. In diesem Sinne ist Punk nichts anderes, als eine reine Form kultureller Anarchie: „Punk glaubte an gar nichts. Alle Institutionen und alle Ideale wurden in Frage gestellt und Anarchie als Selbstzweck betrieben. In diesem Sinne betrachtet kann Punk eigentlich keine allgemein gültige Ideologie haben, da nach der Zerstörung der alten Ideale keine neuen mehr entstehen sollten.“

Punk feierte mit seiner Haltung so etwas wie den Weltuntergang, die herannahende Apokalypse – wollte dabei aber nochmal soviel Spaß wie möglich haben. Die ausgeprägte Affinität zur Destruktion und zum Nihilismus im Punk war letztlich ein Resultat des Glaubensverlustes, der Langeweile, der erlebten Hoffnungslosigkeit. Destruktion und Nihilismus wurden zum unterhaltsamen Spiel der ‚No Future‘-Bewegung. Andererseits war es gerade der nihilistische Geist, der heute von vielen Autoren als das schöpferische Moment des Punk beschrieben wird: Nach Marcus setzt der Nihilismus, als die höchste Stufe der Negation, die größte Energie zur nachhaltigen Veränderung frei. Denn Nihilismus bedeutet, „[…] die Welt in ihren eigenen selbstverzehrenden Impuls einzuschließen; die Negation als Tat macht jedem klar, daß die Welt nicht so ist, wie sie zu sein scheint; […] doch nur wenn diese Tat derart weitgreifend angelegt ist, daß sie die Möglichkeit offenläßt, die Welt könnte ein Nichts sein, Nihilismus wie Schöpfung könnten sich dieses plötzlich leeren Terrains bemächtigen.“ Poschardt schreibt in diesem Kontext: „Die Zerstörung wirkte als Kraft der Befreiung und gab Raum frei für neue Gedanken, neue Musik, neuen Stil und eine alle Ebenen künstlerischer Produktion erfassende neue Ästhetik. Der Mut zur Verleumdung aller bestehenden Hindernisse bei gleichzeitiger Aufgabe der Fixierung auf das Bestehende in Form von blanker Negation schuf eine neue Kunst(haltung).“  Der Nihilismus des Punk, so läßt sich im Nachhinein feststellen, hat in der kurzen Zeit, in der er in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, gesellschaftlich mehr bewirken können, als bspw. die engagierte Agitation der Hardcoreszene in der gesamten Zeit ihres Bestehens. Punk vertrieb mit dieser destruktiven Haltung nun endgültig die idealisierte Welt der 68er-Bewegung, die bis dahin immer noch das tragende Element des gesellschaftlichen Konsens bildete: „Aus dem ‚Macht kaputt was euch kaputt macht!‘ der 68er wurde ein ‚Macht kaputt, wenn es euch Spaß macht!’“ Seine Energie und Durchschlagskraft, darauf sei an dieser Stelle verwiesen, schöpfte der Punk aus der kollektiven und nicht aus der individuellen Frustration. Ferner möchte ich nochmals konstatieren, daß Punk obgleich seiner destruktiven und nihilistischen Tendenzen durchaus gegen bestimmte systembedingte Instanzen opponierte. An erster Stelle standen hier vor allem das Musikestablishment, die Konsumgesellschaft und das als verlogen empfundene Spießbürgertum.

Die Subkultur des Punk entwuchs, wie bereits erwähnt, dem Alltag des Großstädtischen und der sozialen Entfremdung einer fortschreitenden Zivilisationsdynamik. Der Urbanismus der 70er Jahre in Verbindung mit einer neuen sozialen Realität, die ihre Verlierer hatte, wurde im Punk paradigmenhaft reflektiert. Frith schreibt: „Punk symbolisiert eine neue Art von Straßenkultur: Eine Kultur von Jugendlichen aus der Innenstadt, die ihren Familien entwachsen waren, eine Kultur von radikalen ‚Profis‘, von Hausbesetzern und Kommunarden, Studenten und Pseudo-Studenten, von rassischen Minderheiten und Schwulen, die alle nicht integriert und angepasst waren und denen es darum ging, zu protestieren und zu überleben.“

Punk war aber nicht nur ein verzweifelter Versuch, sich von der normativen Welt abzugrenzen, sondern auch eine Lebenshaltung, die in diffuser Weise mit der Idee behaftet war, zur gesellschaftlichen Basis zurückzukehren. Aus diesem Blickwinkel erklärt sich für mich auch der betont zur Schau gestellte Primitivismus. Dieser Wesenszug ist übrigens von besonderem Interesse, da viele der Punkprotagonisten und frühen Anhänger der (künstlerischen) Studentenszene entstammten: Laing nimmt an, daß ca. ein Drittel aller Punkrockmusiker Studenten waren. Die Gründe für die Stilisierung des Primitiven und Proletenhaften sind vielfältiger Art. Wie bereits angesprochen, versuchte sich Punk entschieden vom dekadenten und glamourösen Stil des Glam abzusetzen. Solche Abgrenzungsprozesse erfolgten in der Regel durch Zurschaustellung betonter Gegensätze. Gleichzeitig signalisierte die proletarische Haltung eine Identifikation mit der Arbeiterklasse und ihren Problemen sowie Solidarität mit allen Ausgestoßenen und Randgruppen der Gesellschaft: Neben künstlerischen Strategien, so Budde, bediente sich Punk deutlich der Symbolik der Working-Class, die in der Kulturgeschichte Englands traditionell eine ganz besondere Stellung einnimmt. Punk brachte gezielt das stark entwickelte proletarische Bewußtsein ins Spiel. Die Applikation des Working-Class-Habitus wurde zum wichtigsten Element für die soziale Sprengkraft der Punk-Bewegung. Ferner konstituierte die Idee des Primitiven einen herrschaftsfreien Raum, der es ermöglichte, den determinierenden Wertvorstellungen der herrschenden Kultur – zumindest imaginär – zu entgehen. Die Identifikation mit der Arbeiterklasse wurde im Punk nicht nur über Symbolik und modische Attribute vermittelt, sondern kam auch durch „[…] Mimik, Gestik und Körpersprache und vor allem im Argot [‚Cockney-English‘, Anm. O.S.], dem gegenüber kulturellen Veränderungen resistenten Bestandteil subkultureller Identität, zum Ausdruck.“ Mit ihrem Gassenjargon und dem üblen Umgangston wurden Haß, Abgestumpftheit, Unwissenheit und Wut offen zur Schau gestellt: „Die kulturelle Bedeutung des Punk im besonderen leitet sich nicht daraus ab, daß er die Erfahrung der Arbeitslosigkeit artikuliert, sondern, daß er die Ästhetik proletarischer Selbstdarstellung auslotet.“ Lindner tendiert zu einer ähnlichen Betrachtungsweise: „Das Faszinierende und zugleich Bedrohliche am Punk ist aber auch die lumpenproletarische Selbststilisierung der Beteiligten. Im Punk wird die gesellschaftliche Stellung – arbeitslos, ohne qualifizierten Schulabschluß, sozial »unten« zu sein – karikiert und zur selbstbewußten Attitüde stilisiert.“ Der amerikanische Rock-Kritiker Robert Cristgau geht noch einen Schritt weiter, indem er das Proletarische als bewußtes Stilmittel einer neuen zeitgemäßeren Form der Boheme interpretiert: „Mehr als eine proletarische Jugendbewegung ist Punk eine proletarische Bohème, die sich sowohl gegen die »Haute Bohème« der Rock Elite, als auch gegen den heiligen Bohème-Mythos von der Klassenlosigkeit wendet. Ein Punk will nicht als Bohèmien angesehen werden, weil Bohèmiens nur eine Schau abziehen. Aber wie sehr auch immer ihre Authetizität in Frage gestellt wird, erfüllen Bohèmiens eine historische Funktion – sie entwickeln ästhetische Sensibilität.“
Dennoch läßt sich feststellen, daß sich die Idee der working-class nur in den großen Metropolen, den Geburtsstädten des Punk, durchsetzen bzw. verselbständigen konnte, während Punk in den Außenbezirken und in der Provinz zur Modeströmung generierte: „Der offensichtlichste Aspekt der Punk-Kultur außerhalb von London war ihr Mangel an working class appeal. In der Provinz wurde die Punk-Scene von den hip kids und den Kunststudenten, von den Hippies und den drop-outs beherrscht.“

Konstatieren möchte ich abschließend, daß die proletarische Leitlinie des Punk bewußt von Malcolm McLaren und seinen Mitarbeitern konstruiert wurde – ein wichtiger Aspekt, der zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer untersucht werden soll. Aufgrund der beschriebenen sozialen Mißstände in England (siehe 3.1) konnte sich die proletarische Haltung im Punk als eine Form der gesellschaftlichen Befreiung schnell verselbständigen.

4.2.1 Zum Stil des Punk

„Punk reproduzierte sämtliche Kleidungsstile der Nachkriegs-Jugendsubkulturen und kombinierte Elemente aus den verschiedensten Epochen dieser Stilgeschichte zu einer zerschnipselten Collage.“

Der Stil des Punk signalisierte Antikonformismus und Kritik an der Konsumgesellschaft. In seiner Konzeption war er insofern auch ästhetisches Gegenstück, um diesem Anliegen Ausdruck zu verschaffen. Alle Aspekte des Punkstils standen im deutlichen Gegensatz zur konventionellen Auffassung von Mode. Punk war Antimode, gekennzeichnet durch eine besondere Stilisierung des Häßlichen: „Punk fashion was anti-fashion – everything that was offensive to the general public, anything »unnatural« – multi-colored hair spiked up with vaseline, the ragged haircut, exaggerated make-up, the 1940s horror movie look.“

Im Punk enstand aus erlebter Langeweile, Armut und sozialer Benachteiligung in Eigenarbeit ein Stil als Ausdruck und Zeichen einer Gemeinschaft. Der Stil des Punk setzte sich aus Elementen mit unterschiedlichen Bedeutungen zusammen, die im einzelnen nicht explizit ungewöhnlich sein mußten. Der provokative Gestus entstand erst durch die Auswahl und Anordnung seiner Elemente: Die spezifische symbolische Qualität des Punkstils lag in seinem Arrangement zum einheitlichen Ganzen. Als symbolische Collage reflektierte Punk den „[…] urbanen Primitivismus, den Zusammenbruch des Vertrauens in eine gemeinsame Sprache, die Verfügbarkeit von billiger Secondhand-Kleidung, eine gebrochene Wahrnehmung in einer beschleunigenden, medienübersättigten Gesellschaft, ein Bedürfnis, den Körper dem Chaos von Bedeutungen preiszugeben.“ Die Punk-Ästhetik muß zunächst als Reaktion auf den sich bereits in Auflösung befindlichen Stil des Glam verstanden werden. Obwohl sich Punk in seiner betont proletarischen Haltung bewußt vom glamourösen und dekadenten Stil des Glam absetzte, wurden bestimmte Elemente, bspw. das Element der sexuellen Perversion, stilistisch adaptiert. Hebdige führt neben dem Einfluß des Glam noch eine ganze Reihe semiologisch identifizierbare Elemente verschiedener englischer Subkulturen auf, aus denen sich die Ästhetik des Punk konstituierte. Dabei unterwirft er Punk dem Diktum der Klassengesellschaft: „Der Glam Rock steuerte Narzißmus, Nihilismus und Geschlechterverwirrung bei. Der amerikanische Punk brachte seine Minimal-Art-Ästhetik ein, den Kult der Straße und einen Hang zur Selbstzerstörung. Der Northern Soul, eine regelrechte geheime Subkultur der Arbeiterjugendlichen […], rasante abgehackte Rhythmen, Solo-Tanzstile und Aufputschmittel. Vom Reggae kamen die exotische Aura geheimer Identität, das moralische Gewissen, der Dread und die Coolness.“
Punk war die bewußte Ästhetik des Häßlichen, gekennzeichnet von Mißtrauen, Provokation und Abwehrhaltung. Um dieses auszudrücken, kreierte man eine stilistische Collage, die im Grunde genommen nichts anderes war, als die Aufarbeitung verschiedener Mode-Traditionen vorhergegangener Jugendstile: „Punk war in seiner Entstehungsphase im Grunde eine Haarschnitt-Revolution; ansonsten rollte er lediglich sämtliche in gut zwanzig Jahren gefundenen Möglichkeiten modischer Absatzbewegungen von Jugendlichen noch einmal auf, bspw.: Röhrenhosen, Schuhwerk, Leopardenmuster aus den 50er Jahren; Drei-Knopf-Jacketts, Ben-Sherman-Hemden in allen Abwandlungen, schmale Schlipse aus den 60ern; zerrissene, mit Sicherheitsnadeln zusammengehaltene T-Shirts, Armeehosen […], Ketten, Nieten und Lederjacken aus der klassischen Rocker-Tradition; Exzerpte aus Sado-Maso-Comics und mehr. Das Eigentümliche des Punk lag darin, all diese Elemente verschiedener Herkunft – letztendlich in einer Weise, die man heute »postmodern« nennt – aus ihren Zusammenhängen zu reißen und aufsehenderregend neu zu kombinieren.“ Dennoch etablierte sich mit dem Punk einer der wichtigsten Trends in Sachen Stil, nämlich die Rehabilitierung und das Ausschlachten von früheren Kleidungsstilen. Punk schuf eine »tabula rasa« für alle nachfolgenden Stile (Waver, Grufties usw.): „Das bedeutet konkret, daß alle Arten von Stilelementen, wie Stilzitate aus historischen Jugendkulturen oder Elemente aus dem Bereich des alltäglichen Lebenszusammenhangs oder auch Gegenstände aus tabuisierten Bereichen, wie denen sexueller Perversionen, Gewalt und Tod für Stilbasteleien verfügbar gemacht wurden.“

4.2.2 Punk und seine Symbolik

„Punk etablierte ein faszinierendes Spiel mit der Rezeption, das hinter der Sinnfälligkeit der überdeutlichen Symbolik einen umfassenden Horizont von Sinnlosigkeit auftauchen ließ.“

„Die Kunst ist die geistige Funktion des Menschen mit dem Zwecke, ihn aus dem Chaos des Lebens (Tragik) zu erlösen.“ Dieses Zitat von Kurt Schwitters läßt sich in gewisser Weise, wenn wir den Stil von Subkulturen als eine Form der Kunst interpretieren, durchaus auf die ästhetische Praxis des Punk übertragen. Mit Punk wurden die Grenzen des subkulturellen Protests neu ausgelotet. Um diesem Ziel gerecht zu werden, wurde jede Art von Symbolik stilistisch integriert, wenn sie nur ausreichend Provokation und Chaos signalisierte. Gesellschaftliche Tabus schienen bei der Auswahl der Zeichen keine Rolle zu spielen. Besonders deutlich wird das in der Adaption des Hakenkreuzes, dem wohl symbolträchtig-sten Zeichen der westlichen Zivilisation seit der Machtergreifung durch Adolf Hitler: „Wenn es ein Symbol für diesen Alptraum [angespielt wird hier auf die soziale Lage in Großbritannien, Anm. O.S.] gab, dann war es die Verwendung des Hakenkreuzes.“
Das Hakenkreuz symbolisiert Vernichtung und steht für ein intolerantes und machtbesessenes Deutschland der 30er und 40er Jahre. Ein Deutschland, welches traditionell für den Briten mit dem Wort ‚Feind‘ behaftet ist: „Mit dem Tragen des Hakenkreuzes wurde auf die Illusion des Sieges verwiesen, die beinahe an jeder Straßenecke sichtbar wurde. Für eine Generation, die nach dem Krieg geboren und Zeuge von Englands Niedergang wurde, war diese Illusion kein Geheimnis mehr.“  Als Symbol des Schreckens brachte das Hakenkreuz deutlicher als jedes andere Symbol die Diskrepanz zwischen Eltern- und Jugendkultur zum Ausdruck.: „The wearing of swastikas, for example, certainly did contain an element of ’shock‘, but that word could encompass within many meanings. For instance: two-fingers to the ‚peace and love‘ ethic of the hippies; the same to the parents, who were of an age to have experienced the war; […] an ironic symbol of living ‚in a fascist regime‘; or simply a nice bit of hip (anti-)fashion.“ Dennoch, obwohl sich Punk eine ganze Reihe von Insignien des deutschen Nationalsozialismus zu eigen machte, sympatisierte die Bewegung im allgemeinen nicht mit der Ideologie der extremen Rechten, sondern muß vielmehr als antithetische Antwort auf einen sich wiederbelebenden Rassismus Mitte der 70er Jahre betrachtet werden. Das Hakenkreuz wurde vor allem deshalb gewählt, weil es offensichtlich war und garantiert schockte: „Als Inbegriff der Diskreditierung, sowohl auf konservativer, als auch auf progressiver Seite, kamen diese verfemten Zeichen den frühen Punkern gerade recht, um ihre Ablehnung jeglicher Wertegemeinschaften deutlich zu kennzeichnen.“ Auf die Frage, warum man das Hakenkreuz trug, antwortete eine Punkerin in dem Magazin Time Out: „Punks wollen eben gehaßt werden.“ Im Punk wurde die eigentliche Bedeutung des Hakenkreuzes umgekehrt: „Der Bedeutungsträger, das Bedeutende (das Hakenkreuz), war vorsätzlich von dem normalerweise bedeutenden Konzept (Nazismus) gelößt worden, und obwohl er in einem anderen subkulturellen Kontext stand, leiteten sich sein hauptsächlicher Wert und seine stärkste Anziehungskraft genau aus dem Mangel an Bedeutung ab: aus seinem Täuschungs-Potential. Der Bedeutungsträger wurde als leerer Effekt ausgebeutet: […] Letzten Endes war das Symbol genauso stumm wie die von ihm provozierte Wut.“ Die provokative Nutzung von Nazirhetorik als Schockstrategie findet sich auch in einer Reihe von satirischen Punksongs (Nazi Party, Nazi Baby, Fascist Dictator, Mein Kampf) oder in Gruppennamen wie London SS oder Martin and the Brownshirts wider. Anzumerken bleibt, daß das Hakenkreuz als provokantes Medium von Malcolm McLaren in die Punk-Ästhetik eingeführt wurde. Er selbst war Jude.

Punk war im besonderen Maße gekennzeichnet durch eine Affinität zum Verbotenen, Subversiven und Entlarvenden: „Das Perverse und Abnormale war an sich sehr beliebt. Besonders die verbotene Bildsprache sexueller Fetischismen setzte man kalkulierbar effektvoll ein.“ Punk war damit nicht nur blinde wütende Provokation, sondern auch die gezielte und offene Zurschaustellung und Karikatur gesellschaftlicher Tabus: „Punk spielte mit Tabus und versuchte gleichzeitig, mit einer feinen ironischen Rhetorik tiefsitzende Widersprüche zu beleuchten und zuzuspitzen.“ Sado-Maso-Accesoires wie Riemen, Ketten, Netzstrümpfe, Hundehalsbänder, Lurex und Plastik, Strapse, Schuhe mit Stilettoabsätzen und der zur Grundausstattung gehörende beschlagene Nietengürtel karikierten nicht nur ein prüdes England der 70er Jahre, sondern spielten auch bewußt auf die unterdrückten und tabuisierten Phantasien des Bürgertums an. Gleichzeitig signalisierte Punk die soziale Entfremdung auf deutlichste Weise: „Punk zelebrierte eine Art Hypersex, zeigte am eigenen Körper, wie sehr die Menschen zu pornografischen, von jeglichem Gefühl entfremdeten Objekten verkommen sind.“ Der provokante Umgang mit gesellschaftlichen Tabus verweist nicht zuletzt fast paradigmenhaft auf die systembedingten Verschleierungsmechanismen der herrschenden Kultur. Die ästhetische Praxis des Punk kann insofern durchaus als ein Versuch interpretiert werden, die gesellschaftliche Realsituation herauszuarbeiten bzw. freizulegen. Aus diesem Blickwinkel lassen sich auch alle anderen Symbole des Punk deuten: Während Hosen mit Bünden an den Beinen auf urbane Realität und eingeschränkte Bewegungsfreiheit verwiesen, waren Hundeleinen und Hundehalsbänder Ausdruck gesellschaftlicher Fesseln. Die klischeebehaftete Sicherheitsnadel wurde zum Symbol des Selbsthasses; die zerrissenen Klamotten standen für materielle Armut; die kurzgeschorenen und verstümmelten Haare (die an Haarschnitte von KZ-Häftlingen erinnerten) verwiesen auf soziale Ausgrenzung. Auch das traditionelle weibliche Schönheitsideal wurde im Punk bewußt entstellt. Die Haare wurden (offensichtlich) gefärbt und betont unweiblich getragen. Das im allgemeinen zur Verschönerung gedachte Make-up wurde maskenhaft angelegt. Jeder relevante Diskurs wurde unterminiert: Der Tanz, ein traditionell ausdrucksvolles Medium in der britischen Popkultur, wurde im Pogo zur leeren Pantomime roboterhaften Bewegungen. Nicht zuletzt wurde damit auch die Idee des konventionellen Paar-Tanzes und seiner üblichen Werbungsrituale negiert. Die provokative Symbolik wurde somit zur wichtigsten Waffe des Punk: „You make a spektacle of yourself on the street, and a spectacle is a show of force inviting opposition: the irony of bondage-wear […] clothes can often express ideas better than words. They can be as subversive as a weapon as a book, poster or pamphlet…“.

5 Popmusik in gegenkulturellen Zusammenhängen

„Es ist sicherlich ein typisches Merkmal von Popmusik, daß sie ihren Warencharakter betont zur Schau stellt. Der Konflikt zwischen ‚Kunst und Kommerz‘, wie er häufig genannt wird, ist der Popmusik immanent und bestimmt ihr Wesen im grundsätzlichen Sinne.“

Popmusik, die sogenannte populäre Musik anglo-amerikanischen Ursprungs, wird seit ihrer Konzeption in den 50er Jahren weitestgehend von kommerziellen Marktmechanismen bestimmt. Nichtsdestotrotz muß Popmusik auch als eine Form der Gegenkultur betrachtet werden, die sich im Laufe ihrer über 40jährigen Geschichte immer wieder bestimmte ästhetische Strategien des Widerstands aneignete, deren kulturelles Erbe sie aus der Blues- und Gospelmusik des farbigen Amerikas bezieht. Diese Tradition setzt sich in den unterschiedlichsten Stilen der Popmusik, im Rock’n’Roll, im Reggae und Punk bis zum heutigen Hip-Hop, fort: „Aus dem Blickwinkel ihrer ästhetischen Konzeption betrachtet, läßt sich Popmusik nicht nur auf den ihr innewohnenden Warencharakter reduzieren, sondern muß, genauso wie Literatur oder andere Kunstformen auch, als Ort der gesellschaftlichen Aus-einandersetzung verstanden werden.“

Neben ihrem widerständigen Moment verfügt Popmusik über aufklärerische Eigenschaften. Auch hier finden sich die Ursprünge in der afro-amerikanischen Musik wieder, in der sich aufgrund repressiver Lebensumstände spezifische Erzählweisen und Ausdrucksformen entwickelten. Dennoch ist festzustellen, daß die bewußte Aneignung aufklärerischer Ziele erst gegen Ende der 60er Jahre vor dem Hintergrund eines neuen politischen Bewußtseins Einzug in die Popmusik hält. Popmusik ist in diesem Kontext als Medium zu verstehen, das über die Möglichkeit verfügt, an gesellschaftlichen Prozessen zu partizipieren: „In ihren gelungensten Momenten besitzt Rockmusik […] eine unausweichliche Plötzlichkeit, die über die bloße Botschaft der Texte, über die Farbwirkungen der Harmonien und Klänge hinaus den Hörer in seiner momentanen Befindlichkeit durchdringen kann. Rockmusik kann eine Intensivierung der Augenblickserfahrung ermöglichen. Sie unterbricht den kontinuierlichen Zeitablauf. In der Euphorie ihres unmittelbaren Ausdrucks, in der Emphase des momentanen Bruchs kann ein Keim der Veränderung liegen.“ In diesem Zusammenhang muß auch Punkrock gesehen werden!

5.1 Zu den musikalischen Verhältnissen Mitte der 70er Jahre

„Zum Zeitpunkt, an dem Punk ansetzte, ist Rockmusik selbst längst Abbild bürgerlicher Kunstvorstellungen geworden.“

Seit der Beatlemania und dem Rhythm’n‘ Blues-Revival Anfang der 60er Jahre gab es in England keine musikalische Strömung, die von den Jugendlichen als authentisch anerkannt wurde: Authentisch nicht im Sinne musikalisch-kreativer Originalität, sondern als Teil einer Kultur, die in der Lage gewesen wäre, Lebenslage sowie Gefühle und Erfahrungen der unmittelbar Beteiligten zum Ausdruck zu bringen und zu reflektieren.

Je mehr die Rockmusik ihre Subversivität verlor, desto bereitwilliger vollzog die Musikindustrie ihre Institutionalisierung: „Zum ersten Mal in der Nachkriegszeit waren gesellschaftliches Establishment und Rockkultur kein zwingender Widerspruch. Die Gegenkultur der 60er Jahre war gesellschaftlich inkorporiert. Die damals aufsehenerregenden Musiker waren vom Establishment akzeptiert und der Mythos von jugendlicher Rebellion schal geworden.“ In den frühen 70er Jahren wurden die Charts und der allgemeine Musikgeschmack weitestgehend von großen, monopolkapitalistischen Konzernen wie EMI oder CBS bestimmt: „Über 60 Prozent des englischen Marktes wurden von sechs multinationalen Firmen kontrolliert. […] Der bevorzugte Musikstil war ‚Progressive Rock‘, also alles, was teuer und aufwendig war.“
„Aside from politics and economic status, one of the most important issues of punk movement was dissatisfaction with the state of rock’n’roll. To the punks, mainstream rock carried no meaningful message. It supported a vast hierarchy of superstars with super money and a seemingly impenetrable recording industry, a paradigm of England’s oppressive economic climate and of commercialized art.“ Zu diesen Superstars, auch »techno-flash-groups« genannt, zählten Bands wie Yes, Genesis, Emerson Lake & Palmer oder Pink Floyd.

Die Rockmusik schien Mitte der 70er Jahre ihren künstlerischen Höhepunkt erreicht zu haben. Sie war sophisticated, artifiziell und virtuos und ging völlig mit den Interessen der herrschenden Kulturindustrie konform. Immer weniger reflektierte die Musik die Bedürfnisse des jugendlichen Publikums, „[…] sowohl in ihren romantisierenden Texten – geschrieben von alternden Mittdreissigern – als auch in ihrer Kompliziertheit, die ein Nachspielen und selbermachen nicht mehr erlaubte ohne jahrelanges Üben.“ Die zunehmende Distanz zwischen Musiker und Publikum machte sich auch auf den seltenen und teuren Konzerten bemerkbar: „Die Live-Auftritte der wenigen Superstars dienten ausschließlich der Promotion von Platten; zahlreiche Clubs, in denen unbekanntere Gruppen hätten auftreten können, waren zu Diskotheken umgebaut worden, für die verbliebenen Hallen grösseren Ausmaßes konnten sich jene Gruppen nicht die dafür notwendige, aufwendige Anlage leisten…“, schreibt Caroline Coon – Althippie und Punksprecherin des Musikmagazins Melody Maker – die nicht unwesentlich mit ihren kritischen Artikeln an der Erfolgsstory des englischen Punk beteiligt war. An anderer Stelle heißt es: „Der Rock war in Bars und kleinen Clubs geboren worden; jetzt wurde er in gewaltigen Hallen und Sälen geschändet, die besser für politische Kundgebungen oder religiöse Zusammenkünfte gepaßt hätten.“ Die Musik verkam immer mehr zur Ware, „[…] deren Absatz über eine vordergründige Variabilität der Sounds gesichert wurde. Eine Musik, deren formale Betriebsamkeit ihre Stagnation nicht überspielen konnte. Die auch nicht überspielen konnte, daß ihre Realität mit der ihrer Hörer wenig zu tun hatte.“ Darüber hinaus war auch die wirtschaftliche Krise in England an der Musikindustrie nicht spurlos vorübergegangen. Unter dem Einfluß spätkapitalistischer Monopolisierungstendenzen setzte man neben den großen Gruppen verstärkt auf geschmackssichere Retortengruppen [z.B. die Bay City Rollers, Anm. O.S.], die dann im großen Stil vermarktet wurden. Musiker, die als zu sperrig galten, waren im Zuge dieser Entwicklungen erheblich in ihrer Flexibilität eingeschränkt. In dieses Gesamtbild der Popkultur 70er Jahre passte auch die allgemeine Auffassung, daß ehemalige Rockheroen der 60er Jahre, wie bspw. die Rolling Stones oder The Who, den Jugendlichen keine Identifikationsgrundlage mehr bieten konnten. Der glamouröse und ausschweifende Lebensstil von Jagger & Co (ein nicht untypisches Erscheinungsbild in den 70ern), über den in verschiedensten Musikblättern ausgiebig berichtet wurde, ließen die rebellische Pose und die Ideale der Gegenkultur in den 60ern immer deutlicher zur Karikatur werden: Die alten Stars, die ‚boring old farts‘ wie sie auch genannt wurden, waren zu „[…] fetten Superstars geworden, deren ganzer Lebensstil nichts mehr mit dem der Plattenkäufer und Konzertbesucher zu tun hatte.“ Die Rebellion des Punk war damit wie geschaffen für diese Zeit und wurde, so Wicke, „[…] zu einem einzigartigen Lehrstück über den Zusammenhang der sozialen, kulturellen, ästhetischen und kommerziellen Faktoren“, denen die Rockmusik ihre Existenz verdankt.

5.1.1 Die ästhetische Strategie des Punkrock

„Unlike nearly every other youth subculture (the Teds, Mods, Skinheads, etc.), punk began as music and punks themselves began as music fans and performers.“

„No more Heros anymore“, lautete die primäre Botschaft eines frühen Punksongs der oft als frauenfeindlich stigmatisierten Punkband The Stranglers. Hier wird bereits deutlich, was Punk im Sinn hatte, nämlich ein Angriff auf das Starsystem, zumindest in seiner Anfangsphase. Punkrock stellte sich damit nicht nur gegen eine aus ästhetischer und produktionstechnischer Sicht hochstilisierte Rockmusik, sondern auch explizit gegen die Glorifizierung des Rockstars durch das Musikestablishment. Die seinerzeit dominierenden Musikstile, der Artrock und der Glamrock, waren deutlich vom Star-Mythos gekennzeichnet. Hoskyns schreibt in einem der wenigen Bücher, das sich fundierter mit dem Thema Glamrock auseinandersetzt: „Das Geniale am Glam war, daß sich alles um Starruhm drehte. Das Motto lautete: Zeige, was du hast, und wenn du nichts hast, dann tue zumindest als ob!“

Punkrock war aus musikalischer Sicht kein neuer Musikstil, obwohl sich der Begriff mit seinen heutigen Konnotationen in der breiten Öffentlichkeit erst gegen Mitte der 70er Jahre durchsetzte. Mit seinem Drei-Akkord-Schema knüpfte Punk wieder an die Anfänge des Rock’n’Roll an und ermöglichte damit einer Vielzahl von Musikern einzusteigen und mitzumachen. Punkrock war zunächst laut, primitiv, aggressiv und monoton. Die Songs waren gekennzeichnet durch einfache Rhythmen und Harmonien, hohes Tempo, Basisnähe und nominelle Einfachheit der Mittel. Die Texte brachten die Wut und Erfahrungen des Alltags zum Ausdruck; der Gesang war entsprechend provokativ, rezitativ und verspottend: „Die Gassensprache des Punk, seine fixen Ideen von sozialer und klassenspezifischer Relevanz waren ausdrücklich dazu bestimmt, die intellektuelle Posiererei der vorangehenden Generationen von Rock-Musikern zu unterlaufen.“ Das Besondere im Punkrock liegt darin, schreibt Frith, „[…] daß er für kurze Zeit wirklich eine Avantgarde-Musik für die Massen darstellte: eine Straßenmusik, die sich mit dem Straßen-Leben auseinandersetzte; […] eine Arbeitermusik, die sich mit Politik beschäftigte. Punk konzentrierte sich auf das Verhältnis zwischen Individualismus und Kollektivismus, zwischen Unterprivilegierten und Privilegierten, zwischen Überleben und Langeweile; letzten Endes waren es nicht die Schockeffekte dieser Musik, die die Plattenindustrie aufschreckten, sondern vielmehr die Tatsache, daß das gesamte Marketing-System in Frage gestellt wurde.“ Der englische Punkrock unterschied sich von seinen Vorläufern in der Rockgeschichte vor allem durch sein neues Selbstverständnis: Frith prägte bereits in der Anfangsphase des Punkrock den Terminus »musical realism« – als solcher wird er auch heute weitestgehend rezipiert: „Punk war eine neue Musik, eine neue Kritik an der Gesellschaft, doch vor allem war er eine neue Form der Redefreiheit.“ An anderer Stelle heißt es im selben Tonus: „Den Punks ging es nicht um exzellente Spieltechnik, vielmehr forderten sie in widerborstiger Leidenschaft ein Podium, auf dem sie in wilden Strukturen ihren Abscheu loswerden konnten, Melodien im engeren Sinne entfallen zugunsten eines brutalen Gesamtbildes.“

Punkrock verstand sich zunächst als akustische Opposition zum Artrock. Alle musikalischen Aspekte standen insofern zu diesem auch im betonten Gegensatz: „The real/unreal distinction depended on a series of musical connotations – ugly versus pretty, harsh versus soothing, energy versus art, the ‚raw‘ (lyrics constructed around simple syllables, a three-chord lack of technique, a ‚primitive‘ beat, spontaneous performance) versus the ‚cooked‘ (rock poetry, virtuosity, technical complexity, big-studio production)…“ Um die Virtuosität des Artrocks und damit auch den ästhetischen Standard der Rockmusik zu dekonstruieren, trieb Punk den Dilettantismus bis zum Äußersten bzw. verherrlichte diesen sogar: „Was hier als Musik galt, schien sich durch die kompromißlose Negation derjenigen ästhetischen Kriterien zu definieren, die die Rockmusik mittlerweile zu einem anerkannten Bestandteil des zeitgenössischen Kulturbetriebs gemacht hatten.“ Mit Punkrock hatte sich endlich eine kaputte Form gefunden, so Büsser, die den Wert beständiger Kunstwerke in Frage stellte. Durch das Nicht-Akzeptieren künstlerischer Standards entweihte Punk nicht nur die heiligen Formen der Musik, sondern auch die der allgemeinen Auffassung von Kunst. Im Wettstreit um das sauberste und virtuoseste Soli brachte Punkrock das Schlechte und Makelhafte ein: „Nur das Fehlerhafte hat ein Anrecht darauf, als menschlich zu gelten.“ Diese bewußte Zelebration des Minimalistischen und Unfertigen negierte den Glauben an das sogenannte Perfekte und schuf damit Raum und Platz für neue Ideen: „Mit der ‚Primitivität‘ des Punk-Rock holte sich die Popmusik das zurück, was im Laufe der Zeit einer zunehmenden Virtuosität gewichen war. Sie wurde wieder zu einem Ort, an dem Protesthandlungen artikuliert werden konnten.“ „Erst mit Punk ist die Rockmusik voll und ganz Anti-Kunst geworden, damit auch ‚antibürgerlich‘, erst jetzt formuliert eine ganze Bewegung, was zuvor nur Randerscheinungen vorbehalten war […], daß Kultur und Subkultur – egal mit welchem Inhalt – mit gesellschaftlicher Billigung gesegnet sein wird, sobald sie formal Wert auf Dauer legt, unter dem Gedanken an Dauer produziert, also ein gewisses ‚Niveau‘ vorlegt.“
Der Dilettantismus als Gebärde wurde vor allem in den frühen Live-Auftritten der Punkbands deutlich. Die in der Regel ohnehin kurzen Songs wurden oft nicht zu Ende gespielt; hatte man den Text vergessen, wurde höhnisch gelacht oder geschrien, ‚amateurhaftes‘ und bewußt falsches Spielen wurden zum Stilmittel, riss eine Seite wurde weiter gespielt. Hinzu fügte sich, daß der Sound in der Regel völlig übersteuert und damit unverständlich wurde: „Punkkonzerte zeichnen sich durch einen fast puritanisch anmutenden Aufbau und Ablauf aus. Pathos wird vermieden. Die Band kommt auf die Bühne, ohne sich vorzustellen und fängt sofort zu spielen an. In vielen Fällen werden aus den Songs Blöcke geformt, bei denen mehrere Songs ineinander übergehen. […] Die Auftritte sind soweit gestrafft, daß die Songs bisweilen ohne Unterbrechung in ein oder zwei Sets gespielt werden, ohne dem Publikum zwischen den Songs Platz für Beifall zu gewähren. Die Vorstellung der Bandmitglieder ist bei Punkkonzerten ungewöhnlich.“ Die Affirmation des Destruktiven und Primitiven äußerte sich im Punk auch auf textlicher Ebene: „Nicht nur, daß in Punksongs die Zukunftslosigkeit geradezu zynisch verherrlicht wird (‚No future‘ ist neben ‚I’m bored‘ eine der meistgebrauchtesten Floskeln), nicht nur daß das Cockney-English bis zum Überdruß verwendet wird, es wird darüberhinaus in einer Weise intoniert, die das Verstehen der Texte für Zuhörer aus anderen sozialen Schichten erheblich erschwert oder gar unmöglich macht.“ Punk brach mit der für die Rockmusik charakteristischen Gleichsetzung von Sex und Vergnügen und damit auch mit dem Klischee von »Sex, Drugs and Rock’n’Roll«. Romantische und permissive Konventionen wurden kategorisch abgelehnt: Der Verzicht des Liebesliedes war bindend im Punkrock; nicht zuletzt verwarf diese Ablehnung den seit dem 19. Jahrhundert vorherrschenden bürgerlichen Klischeebegriff der romantischen Liebe: „Alles an Punk schien darauf abzuzielen, in einem großen zynischen Rundumschlag zu zeigen, daß die in den Siebzigern postulierte ‚freie Liebe‘ selbst Teil des Programms zur Verdummung und Einschläferung gewesen ist – Teil einer pornographisierten Warengesellschaft.“ Punk war damit die erste Rockmusik überhaupt, die nicht auf Liebesliedern aufbaute: „Weder Männer noch Frauen waren im Punk Lustobjekt – das bisherige Balzritual hatte ein Ende.“

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Punkrock in seiner ganzen ästhetischen Konzeption einen Angriff auf das Bestehende vollzog. Im dadaistischen Sinne erscheint das Überlieferte in Form von Traditionen und das Bewährte als normativer Standard obsolet: „Die Punk-Musik ließ sich als Ausdruck eines neuen Nihilismus verstehen, der sich undifferenziert gegen alles und jeden richtete. Er wandte sich genauso scharf gegen den Mainstream der Gesellschaft, wie gegen die vermeintliche Geschlossenheit gegenkultureller Entwürfe im Kampf für eine links besetzte Utopie.“

5.2 Widerstand durch Autonomie

„Die Ablehnung gesellschaftlicher Prozesse verbindet sich naturgemäß mit einer Vorliebe für Subversion.“

Punk war trotz seiner bereits angesprochenen destruktiven Momente deutlicher als jede andere Subkultur durch eine besondere Affirmation des Autonomiegedankens gekennzeichnet. Den ideologischen Kern dieser Haltung bildeten die mittlerweile überstrapazierten Postulate »Lerne-drei-Akkorde-und-gründe-eine-Band« und das »Do-it-Yourself« Prinzip. Eine Passage des wohl seinerzeit bekanntesten und auch heute noch meistzitierten Fanzine Sniffing’ Glue bringt die Idee der Unabhängigkeit und Selbstverwaltung folgendermaßen zum Ausdruck: „Ich denke, das Beste wäre, aufzuhören, Platten zu kaufen. Ja, hört auf, Platten zu kaufen. Geht lieber und guckt euch die Bands live an, weil ich meine, daß Gruppen, sobald sie einen Vertrag mit einer Plattenfirma haben, nicht mehr bestimmen können, was läuft und was nicht. Mit dem Kaufen aufhören bedeutet, daß die fetten Manager keinen Pfennig aus uns rausholen können. Außerdem – mit dem ganzen Plattenmarkt sind wir voll drauf, Lehnstuhl-Punks zu werden und all die kleinen Bands werden zugunsten einiger neuen Supergruppen in der Versenkung verschwinden. Wir brauchen Kommunikation. Wenn du was zu sagen hast, sag es, warte nicht solange, bis eine Schallplatte es für dich sagt. Geht in die Klubs, überallhin, tanzt, singt und brüllt solange ihr miteinander kommuniziert. Laßt euch nicht ausverkaufen.“

Mit der Wahrnehmung des britischen Punk in der Öffentlichkeit entstand eine bis dahin ungekannte Vielfalt an Medien, Organisations- und Vertriebsstrukturen. Punk versuchte, durch Selbstorganisation von Konzerten, durch alternative Infrastrukturen wie Fanzines, Independent Labels, selbständige Plattenläden und -vertriebe bis hin zu autonomen Radiosendern die Basis des Musikestablishments subversiv (zumindest in der Anfangsphase) zu unterwandern. Die Punk-Bewegung stellte sich damit entschieden gegen die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus. Zudem implizierte die Idee unabhängiger Vertriebsstrukturen auch einen praktischen Versuch, die Bewegung gezielt vor der Vereinnahmung durch die Warenökonomie zu schützen: „Selbstbestimmung/Selbstverwaltung, also Autonomie wurde hier erstmals komplett politisiert: ein eigenes Label, einen Vertrieb, einen eigenen Plattenladen oder ein eigenes Fanzine zu starten, ist bewußte Absage gegen die Industrie und deren Verwertung des Undergrounds als Trend, als modische Avantgarde gewesen.“ Die ästhetischen Punkrichtlinien und das Ideal D.I.Y. fanden praktisch in jedem Bereich Anwendung. Das wird vor allem deutlich in den Fanzines, die für die Bewegung von ganz besonderer Bedeutung waren, da durch sie die Kommunikation innerhalb der Bewegung gesichert wurde. Die offensichtlich zur Schau gestellte Handarbeit und Fehlerhaftigkeit waren eine bewußte Absage an die industrielle Massenfertigung: „[…] das Spontane und Vergängliche, der Erlebnisbericht mitsamt seinen Durchstreichungen (im Extremfall auch handschriftliches Gekritzel) bekämpft die Idee des Teilbaren und Mitteilbaren, bleibt brutal individuelles Zeugnis, immer mehr Tagebuch als für die Öffentlichkeit bestimmtes Produkt.“
Punk entwickelte somit eigene Formen der Kommunikation, was unter anderem auch im ‚tape-trading‘ zum Ausdruck kam. Tapes wurden in der Regel zum Selbstkostenpreis auf Konzerten oder über Fanzines verkauft und in letzteren in eigenen ‚Tape-Charts‘ besprochen. Aus der Perspektive kapitalistischer Prinzipien ist diese Form des Selbstvertriebes nicht zu unterschätzen! Ferner wurde die Mundpropaganda innerhalb der Bewegung zum wichtigsten Informationsträger – ein Relikt aus der Kulturgeschichte der Unterdrückten. Mittels Telefonketten wurde bspw. über kurzfristig geplante Konzerte, neue Bands und sonstige Ereignisse informiert. Budde betont, daß die Mundpropaganda ein spezifisches Merkmal für die Verhaltensweisen im Punk war, denn sie besaß das agitative Flair des Subversiven. Nicht zuletzt erhielt die Information selbst durch diesen Umstand eine Aufwertung. Punk verunsicherte die Musikindustrie letzten Endes vor allem in zwei Bereichen, konstatiert Frith: „First, it denounced multi-national record companies with a version of the assertion that ’small is beautiful‘ – punk music was, authentically, the product of small scale independent records and distribution companies. Secondly, punk demystified the production process itself – its message was that anyone can do it! […] An important strand in its development has been a cultural version of consumerism; the idea is that record buyers have a right to maximum marktet choice, that record buying should involve customer expression rather than producer manipulation.“

Als allgemein bekannt gilt, daß die hier skizzierten Versuche, die Szene zu bewahren, nicht lange dem System standhalten konnten. Dies lag nicht zuletzt daran, daß viele der ‚Punkflagschiffe‘, allen voran die Sex Pistols und The Clash, sich an Industrieverträge banden und so ihre nominelle Antihaltung auf die Postulate der Szene ausdehnten.
6 Exkurs: Punk und seine historischen Verbindungen zur künstlerischen
Avantgarde der Moderne

Während Punk Mitte bis Ende der 70er Jahre vor allem als Reflex auf die sozialen und wirtschaftlichen Krisen (Arbeitslosenrock) sowie als originärer Ausdruck der englischen Working-Class mystifiziert wurde, tendiert man in der neueren Pop-Rezeption dazu, Punk als eine Art künstlerisches Axiom zu analysieren, daß bewußt die Widersprüche der bürgerlichen Klassenkultur zum Programm machte. Punk erhält damit in der noch verhältnismäßig jungen Geschichte der Popkultur eine postume Wertschätzung besonderer Art, denn im Unterschied zu vorhergegangenen musikalischen Stilen, spielte Punk nicht nur mit künstlerischen Formen und neo-marxistischen Ideen, sondern experimentierte auch mit deren theoretischen Ansätzen: „Alles weist darauf hin, daß Punk gegen seinen Willen wie kein anderes Moment in der Rockgeschichte analysiert und historisiert werden wird, weil erst durch Punk und New Wave Konzepte Einzug in die Popkultur erhielten, die mit denen der klassischen Kunstavantgarden vergleichbar sind.“

Spätestens seit Mitte der 80er Jahre wird Punk von zahlreichen namenhaften Autoren als Ergebnis künstlerischer Ambitionen verstanden. Hierzu zählen insbesondere Simon Frith, Greil Marcus, Fred Vermorel, Jon Savage und Howard Horne. Vieles spricht nach Auffassung dieser Autoren dafür, daß verschiedenste ästhetische Strategien der modernen Kunst dem Punk als Vorbild und subversives Reservoir dienten. In diesem Zusammenhang werden insbesondere die Kunstismen Dadaismus, Surrealismus, der Situationismus sowie die informellere Pop-Art genannt. Mit der Pop-Art der 50er und 60er Jahre wird Punk vor allem in Verbindung gebracht, da mit ihm der ironische Umgang mit der Massenkultur sowie auch die Infragestellung unserer Wahrnehmung von Wirklichkeit eine neue radikale Zuspitzung findet: „Zu Beginn war Punk eine radikale Fortsetzung der Pop-Art. Als desillusionierter Abgesang auf die spätindustrielle Gesellschaft hatte Punk gegenüber der bunten Medienwelt nur ein zynisches Lachen übrig. Punks stilisierten sich selbst als ‚coole‘ Verlierer einer nur noch als kalt und verbraucht empfundenen Welt.“
Im folgenden Exkurs sollen Parallelen und Verbindungen zwischen Punk und der künstlerischen Avantgarde genauer untersucht werden. Wie bereits angesprochen, läßt sich der revolutionäre Gestus des Punk durchaus mit den Anfängen des Dadaismus vergleichen. Andererseits weisen Form und Vorgehensweise der gesellschaftlichen Infragestellung eine deutliche Wahlverwandtschaft zum Situationismus der 50er und 60er Jahre auf. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist Punk als ästhetische Protestsstrategie nicht unmittelbar neu, sondern reiht sich vielmehr in einen Kontext subversiver Bewegungen ein, die eine spezifische Form der Gesellschaftskritik artikulierten: Eine Form der Kritik, die weniger an Konstruktivität und alternativen Konzepten interessiert ist, sondern vielmehr darauf ausgerichtet ist, gesellschaftliche Fakten zu negieren und gerade deshalb zu einer Bedrohung der herrschenden Ordnung führt.
Debord schreibt in diesem Kontext bezogen auf den Dadaismus, dem historischen Vordenker der Negation: „Die vollkommen negative Definition des Dadaismus bewirkte fast unmittelbar nach seiner Gründung bereits seine Auflösung. Es ist aber sicher, daß der dada-istische Geist einen Teil aller Bewegungen geprägt hat, die auf ihn gefolgt sind, und das sich ein historisch dadaistischer Aspekt der Negation in jeder konstruktiven Position wiederfinden wird, solange die sozialen Verhältnisse nicht abgeschafft worden sind, die die Wiederholung von verfaulten Elementen des Überbaus erzwingen, deren intellektueller Prozeß längst beendet ist.“ Darüber hinaus vergleicht Behrens die historischen Subkulturen mit den Avantgarden der klassischen Moderne. Beide, so Behrens, müssen als soziale Bewegungskulturen verstanden werden, die gleichermaßen eine kritische Umgangsweise mit dem Konsumzwang fanden. Ferner teilt die Avantgarde mit der Subkultur, daß sie die Aufhebung der Kunst in Lebenspraxis betreibt: „Bei der Avantgarde ist dies eine Folge in der Auseinandersetzung mit der Kunst und somit aus der Kunst heraus; in Subkulturen ist dies eine Folge der Auseinandersetzung mit dem Alltag, die Erinnerung daran, daß es auch einen alltäglichen Anspruch auf Kunst gibt, die nicht nach den Schnittmustern der Kulturindustrie zurechtgestutzt ist.“ Darüber hinaus sind beide Phänomene im besonderen Maße vom ästhetischen Populismus gefährdet, wodurch ihre Wirksamkeit depotenziert wird.

Bevor ich mich weiter dem Thema dieses Kapitels widme, möchte ich nochmals darauf verweisen, daß Punk als sozio-kulturelles Phänomen auf verschiedenste soziale und systembedingte Aspekte seiner Zeit reagierte und dementsprechend auch als Resultat dieser zeitspezifischen Umstände zu werten ist. Gleichermaßen ist jedoch auch davon auszugehen, daß Punk vor allem in seiner Anfangsphase von einigen »intellektuellen Hobbyanarchisten« gezielt in eine bestimmte Richtung gelenkt wurde. Eine ästhetische Richtung, die maßgeblich den (nachhaltigen) Erfolg des Punk mitbestimmte. In diesem Sinne scheint mir folgende Unterscheidung von Horne/Frith durchaus adäquat, um die Gratwanderung zwischen Authentizitätsanspruch und künstlerischem Entwurf deutlich zu machen: „At the time of its maximum publicity, 1976-7, punk was treated as a street not a college movement, an eruption from the gutters of the inner-city recession (rather than bored suburbia), and so we should stress, first, that punk as a youth subculture has a different history than punk as a pop style“.

6.1 Punk als antikulturelles Projekt

„The Sex Pistols was a work of art. The artists: Malcolm, John (Lydon/Rotten) and Jamie (albeit with many helpers and assistants, scene changers and stand-ins). It was their collective masterpiece, a work of genius…“

Die Verbindung aus Kunst und Musik besitzt in der englischen Popkultur eine Tradition, die ihren Ausgang in den frühen 60er Jahren, spätestens mit dem weltweiten Erfolg der Beatles nahm: Horne und Frith gehen in ihrer Studie Art into Pop davon aus, daß der weltweite und nachhaltige Impakt der englischen Popmusik zu einem beträchtlichen Teil auf ihre besonderen Beziehungen zu den Kunstschulen zurückzuführen ist. Um diese These zu untermauern, verweisen sie auf etablierte Musiker wie Rolling Stones, David Bowie, Roxy Music (nur um einige zu nennen) bis hin zu verschiedenen Punkbands, die allesamt im Umfeld der Kunstschulen ihre Wurzeln haben. Neben dem künstlerischen Impuls wurde die Identifikation mit der Arbeiterklasse Anfang der 60er Jahre (z.B. The Who, Small Faces) zum anderen wichtigen Bestandteil der englischen Popkultur/-musik. Diese im Normalfall gegensätzlichen Aspekte wurden nicht zuletzt in den englischen Kunstschulen zusammengeführt und kultiviert: „Im englischen Bildungssystem spielen die Kunstschulen als Bindeglied zwischen den Klassen eine besondere Rolle; sie sind eine Art Zufluchtsort für diejenigen Arbeiterkinder, die einerseits keine Zukunft als Arbeiter wollen und andererseits nicht die Fähigkeit oder den Ehrgeiz für einen Aufstieg in die Leistungsgesellschaft mitbringen […] und sie sind ein Ort für die Jugendlichen aus der Mittelschicht, die diese Art von Leben ablehnen, ohne sich dabei als Versager zu fühlen.“

Im Punk setzten sich diese Traditionen vor einem neuen sozialen Kontext in konsequenter Weise fort: „Punk rock was the ultimate art school music movement. It brought to a head fifteen years of question about creativity in a mass medium, and tried to keep in play bohemian ideals of authenticity and Pop art ideals of artiface.“ „Die Künstler, die Punk geschaffen haben, „so der Drehbuchautor Johnny Gems“, waren Malcolm und Vivienne, und sie haben ihn auf diese 60er Jahre Kunstschul-Weise geschaffen. Die ganze Revolution, Anti-Materialismus, Yippie, Pro-Minoritäten.“ Vor allem zu Beginn war Punk vielmehr Kunstprojekt als Jugend-Bewegung, das deutlich von einem konspirativen Netzwerk, bestehend aus Künstlern, Studenten, Modedesignern, Soziologen und Medienleuten, gelenkt und geprägt wurde: „[…] punk’s original rhetoricans came from the art room not the streets.“ Interessanterweise wird die Szene um McLaren auch häufig in Verbindung mit Warhols Factory gebracht bzw. als deren zeitgenössische Form interpretiert: „Die Bewegung, die sich um die Sex Pistols herum entwickelte, war die erste Weiterführung von Andy Warhols Factory in Großbritannien.“ McLaren selbst verweist in einem Interview auf die Warhol Szene als Ideengeber: „Ich war fasziniert von Andy Warhol und von The Velvet Underground. Wie Warhol aus Kunst Mode machte, das hat mich enorm beeinflusst.“ Die Sex Pistols, mit denen die englische Punkbewegung ihren Ausgang nahm, dienten McLaren und seinem Team nicht nur als Prototyp, sondern als Medium, um subversive Ideen zu kommunizieren oder vielmehr in das gesellschaftliche Gefüge einzuführen: Sie „[…] schienen das perfekte Vehikel zu sein, um den Leuten, die die Botschaften der linken Politik nicht verstanden, diese Ideen direkt zu vermitteln.“ Im selben Tonus schreibt Savage: „Als neue Generation waren die Sex Pistols eine sorgfältig abgestimmte Mischung aus Authentischem und Konstruiertem. Die Mitglieder der Gruppe verkörperten eine Haltung, die McLaren mit einem ganzen Set von Referenzen versah: Die radikale Politik der späten sechziger Jahre, sexuelles Fetischmaterial, Pop-Geschichte und die sich gerade entwickelnde Diziplin der Jugendsoziologie.“ McLaren und sein Team Glitterbest waren fasziniert von der Idee, subversive Kunst mit Alltagsleben und dem Urbanen nach situationistischem Vorbild zu verbinden. Die Mischung aus Jugendkultur, Mode und Rockmusik schien dabei ein geeigneter kultureller Schauplatz, um einen solchen Plan in die Tat umzusetzen: „Jugendrevolte war ein Schlüssel zur gesellschaftlichen Revolte, daher bot sich der Rock’n’Roll als erstes Ziel der gesellschaftlichen Revolte an“, schreibt Marcus.
Im Punk ging es von Anfang an um mehr als nur um Popmusik. Nämlich darum, eine Taktik zu formulieren und eine Ideologie festzulegen. Ziel war es, eine aufständische Situation herbeizuführen, die das ökonomische Fundament der Gesellschaft erfassen und sie als Ganzes in Frage stellen sollte – wobei diese Idee bekannterweise nur anfänglich umgesetzt werden konnte: „Der ‚Punk‘ war als ein Gegenbild des Konsums konzipiert worden, aber er war bald nur eine chaotische Mitteilung über die Aussichtslosigkeit.“ Darüber hinaus wurden punktuelle Konflikte systematisch radikalisiert. Nicht zuletzt um die allgemeine Protest-Bereitschaft, insbesondere unter den Jugendlichen, zu erhöhen. Es sollte eine spektakuläre Situation entstehen, die zumindest kurzfristig das konsensuale Ordnungsgefüge in Bedrängnis bringen sollte, ganz nach dem situationistischen Motto: „Diejenigen werden siegen, die es verstehen, Unordnung zu schaffen.“  Jamie Reid stellt diesbezüglich fest: „When the Pistols were vibrant and relevant was when no-one could label them. The media couldn’t label them. I mean you were National Front one day, reds under the bed another, and anarchists the next. And then it became very articulated and very CONTROLLED. In retrospect, I think the week ‚God Save The Queen‘ got to number one we should have split the band up and got out which is what Malcolm in fact wanted to do.”

Die Dadaisten werden häufig als Vorläufer und Vordenker der Punkbewegung bezeichnet. Diese Verbindung wird vor allem deswegen gezogen, weil Punk ebenso wie der Dadaismus vehement gegen gesellschaftliche Konventionen und Normen, gegen den herkömmlichen Kunstbegriff und für eine unkonventionelle und respektlose Haltung gegenüber dem Bildungsbürger und seinen Wertvorstellungen auftrat. Im folgenden sollen die Ideen des Dadaismus näher skizziert werden. Zum einen, um die ideologischen Verbindungen zwischen beiden Bewegungen herzustellen sowie ferner die historischen Anknüpfungspunkte von Protest und Subversion näher zu beleuchten.

6.2 Geschichtliche Zustandsbeschreibung des Dadaismus

„Dadaismus ist eine Strategie, wie der Künstler dem Bürger etwas von seiner inneren Unruhe, die ihn nie in Gewohnheit einschlafen läßt, mitteilen, wie er den Erstarrten durch äußere Beunruhigung zu neuem Leben aufrütteln will, um ihm den Mangel an innerer Not und Bewegung zu ersetzen.“

Der Dadaismus wurde im Frühjahr 1916 von Hugo Ball, Tristan Tzara, Hans Arp und Richard Huelsenbeck in einer Züricher Kneipe, dem Cabaret Voltaire, ins Leben gerufen. Schnell avancierte das Voltaire (das bereits nach 5 Monaten wieder aufgegeben wurde) zum Versammlungsort für Künstler, politische Emigranten, Versprengte und Oppositionelle. Vom neutralen Zürich breitete sich die Bewegung international aus; in Deutschland vor allem in den Zentren Berlin, Köln und Hannover. Der Dadaismus entstand als Reaktion auf die Erfahrungen eines als unsinnig empfundenen Weltkriegs. Verantwortlich machte man dafür das Bürgertum und die moderne Kunst. Denn sie spiegelten die Krise der westlichen Kultur, die im Ersten Weltkrieg ihren vernichtenden, militärischen und politischen Ausdruck fand, wider. Die vorherrschenden Ismen Kubismus, Futurismus und Expressionismus waren in dieser Phase gekennzeichnet durch den Wunsch, die Kunst mit dem Leben zu verbinden. Mittels der Kunst sollte der Mensch zu einem positiven und besseren Wesen erzogen werden. Ferner war der klassischen Moderne die ruhelose Suche nach einem neuen Ausdruck immanent. Jede neue Stilrichtung verstand sich als die zeitgemäßeste und versuchte, die vorhergegangene Form zu diskreditieren. Dada wollte nicht mehr an eine solche Kunst – als die höchste Stufe des geistigen und kulturellen Schaffens – glauben. Um sie zu erniedrigen, propagierte man die Anti-Kunst: „Der Dadaismus ist die erste Anti-Kunst-Bewegung. Er gelangte zur absoluten, radikalen Ablehnung, zur Erledigung jeglichen Systems. Sein Ziel war die Verneinung, An die Stelle der Regel trat die Ausnahme.“ Um Hochkultur und Kunst zu diffamieren, entwickelte man verschiedenste ästhetische Strategien: Lärmmusik, Simultanvorträge, Lautgedichte, Zufallsgedichte, satirische Photomontagen und Collagen wurden zu beliebten Ausdrucksmitteln. Mit einer ironischen Synthese aus Primitivismus, Banalität und moderner Technik versuchte man, auf die Sinnlosigkeit von Logik, Intellektualität und Geschichte hinzuweisen: „Dada empfindet sich als Narrenspiel aus dem Nichts und erklärt sich zum ‚Parodisten der Weltgeschichte‘.“
Die Haltung der Dadaisten war sophistisch bis nihilistisch: „Seine frühen Aktionen waren darauf angelegt, Konventionen zu verletzen, aber eine Gemeinsamkeit aller Manifestationen war asoziales Verhalten, Nihilismus und die Lust an der Provokation.“ Darüber hinaus war man ironisch gegen sich selbst, was soweit gehen konnte, das eigene Anliegen in Frage zu stellen: „Dada ist gegen Dada.“ Dada wollte nicht Kunstrichtung, sondern Welt-anschaung sein. Das Programm bestand darin, kein Programm zu haben. Huelsenbeck betonte: „Der Dadaismus wurde mit einer Kunstbewegung verwechselt, obwohl er als Kunstbewegung nichts zu bieten hat, wenn man sich den Kubismus, den Impressionismus und dergleichen vor Augen hält, die sich immer um Probleme von Form, Farbe, oder von etwas drehen, das gezeigt oder entworfen wird, oder ein Kunstwerk sein will; das alles traf auf uns überhaupt nicht zu. Außer uns selbst hatten wir praktisch nichts zu bieten.“ Dada verunglimpfte alles und jedes, denn Geschichte und Kultur hatten versagt. Hugo Ball schrieb: „Die Kunst kann vor dem bestehenden Weltbild keinen Respekt haben, ohne auf sich selbst zu verzichten. Sie erweitert die Welt, indem sie die bis dahin bekannten und wirksamen Aspekte negiert und neue an ihre Stelle setzt. Das ist die Macht der modernen Ästhetik; man kann nicht Künstler sein und an die Geschichte glauben.“

Tristan Tzara, rastloser Propagandist und provokanter Wortführer, bemerkte in den 50er Jahren aus der Retrospektive: „Dada entsprang dem der Jugend aller Epochen gemeinsamen Geist der Rebellion, der vom einzelnen fordert, allein seiner innersten Natur zu folgen, ohne Rücksicht auf Geschichte, Logik oder Moral.“ Ein Gedanke, der sich auch auf das Wesen des Punk übertragen läßt.

6.2.1 Zur geistigen Verwandtschaft von Dada und Punk

„Dada war eine Revolution innerhalb der Kunst. Punk ist Kunst und Jugendbewegung.“

„Dada ist unabhängig von der Zeit, es wird stets wiedergeboren, es gibt sich durch die Kette der Generationen, Dada ist eine eminent metaphysische Sache“, bemerkte Huelsenbeck bereits in seinem 1920 erschienenen Pamphlet En Avant Dada. In den Jahren 1976-77, in denen Punk zum Lieblingskind der Medien avancierte, wurde er immer wieder mit dem Dadaismus verglichen, ohne daß man dabei jedoch näher auf diesen Ismus einging. Nicht zuletzt mußte diese Verbindung herhalten, um den neuen und rätselhaften Ausdruck als kulturelles Phänomen zu verorten. Punk „[…] ist eine Form der Anarchie, genauso, wie es gegen Ende des 1. Weltkrieges das dadaistische Zürcher Cabaret Voltaire gewesen ist“, schreibt Isabelle Anscombe 1978. Der Konzertklub Roxy, in dem die Punkbands der ersten Stunde ihre kompromißlosen Konzerte gaben, verglich man seiner Zeit gerne mit dem Züricher Cabaret Voltaire.

Zunächst ist festzustellen, daß beide Bewegungen in ähnlicher Weise auf bestimmte gesellschaftliche Zustände reagierten. Sicherlich lassen sich die politischen und sozialen Hintergründe, schon aufgrund der großen Zeitunterschiede, nur schwer miteinander vergleichen. Dennoch riefen beide Hegemonien ein scheinbar ähnliches Gefühl der Depression und Ausweglosigkeit hervor, die in der radikalen und kompromißlosen Negation, dem Nihilismus, ihren Ausdruck fand: „Dadaisten und Punks haben den Wert der Vergangenheit negiert und die Kunst angegriffen, von der sie sich geformt und betrogen fühlten. Sie fanden, die Vergangenheit in Form eines sinnlosen Weltkrieges oder eines korrupten Wohlfahrtstaates, hätte ihnen eine undenkbare Zukunft vermacht und zudem eine Kunst, die eine selbstgefällige Lüge war. Beide drückten die Freiheit, derer sie habhaft werden konnten, in Form von Nihilismus aus: Nichts ist wahr, außer unserer Überzeugung, daß die Welt, die wir akzeptieren sollen, eine falsche ist.“
Der nihilistische Geist, der beiden Bewegungen immanent war, kennzeichnet auch ihre Protestsstrategien, indem nichts Bestand hat und alle Ahnen abgelehnt wurden. Marcus beschreibt die Idee des Nihilismus folgendermaßen: „Nihilismus bedeutet, die Welt in ihrem eigenen selbstverzehrenden Impuls einzuschließen; die Negation als Tat macht jedem klar, daß die Welt nicht so ist, wie sie zu sein scheint… doch nur wenn diese Tat derart weitgreifend angelegt ist, daß sie die Möglichkeit offenläßt, die Welt könnte ein Nichts sein, Nihilismus wie Schöpfung könnten sich dieses leeren Terrains bemächtigen.“ Diese Form der symbolischen Vernichtung schafft Raum und Platz für eine symbolische und soziale Neuorientierung. Solche Erschütterungen, wie sie durch Dada und Punk hervorgerufen wurden, setzten neue Maßstäbe in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens (Kunst, Mode, Denk- und Verhaltensweisen etc.), die sich bis in die heutige Zeit nachvollziehen lassen. Dada und Punk stellten mit ihren Anti-Kunst/Anti-Rock-Gebärden gleichermaßen die vorherrschenden künstlerischen Standards in Frage: „Die Mechanismen, die Dada in Kunst und Literatur beanspruchte, können ohne weiteres auf Punk und seinen Bezug zur populären Musik übertragen werden.“ Primäres Ziel war es, den Künstler zu degradieren und zu entmachten; jeder sollte Kunst produzieren dürfen: „[…] die formalistische Dada-Theorie, nach der aus allem Kunst gemacht werden konnte, entsprach der formalistischen Punk-Theorie, nach der jeder Kunst machen konnte (‚Hier sind drei Akkorde‘, lautete die berühmte Unterschrift zu einem Schaubild in Sniffin’ Glue, dem ersten britischen Punk-Fanzine, ‚jetzt gründe eine Band.‘).“ McLaren betonte: „Das wichtigste war, dass sich plötzlich jeder ausdrücken konnte und damit praktisch ein Künstler war. Punk erlaubte denen, die keine besonderen Fähigkeiten hatten und unbeachtet am Rand der Gesellschaft lebten, einen revolutionären Aufschrei.“

Ästhetische Bezüge und Überschneidungen zwischen Dada und Punk lassen sich auf den verschiedensten Ebenen feststellen. So können bspw. die dadaistischen Aufführungen (Soirèen) in ihrer ästhetischen Konzeption ohne weiteres mit den Punkkonzerten verglichen werden. In beiden Fällen beschimpfte, beleidigte und bespuckte man das Publikum; verhöhnte sich selbst sowie jede Form der Kultur. Schlechtes Benehmen und das Ausloten neuer Tabuzonen waren Programm. Je skandalöser die Performance, so gelungener war sie: Den dadaistischen als auch den „[…] Punk-art-Produktionen liegt dabei die Erkenntnis zugrunde, daß lediglich skandalöse Vorfälle Aufsehen erregen und Kunst, will sie erfolgreich sein, auf die Bedürfnisse potentieller Konsumenten ausgerichtet sein muß. Punk-Art steht damit in der Tradition des Dadaismus.“ In ähnlicher Weise wie Dadaisten ihre Collagen aus den Abfällen der Gesellschaft fertigten, um Mißstände aufzuzeigen, funktionierte auch der Stil des Punk. Von der Kleidung bis hin zum Fanzine entsprach er ganz der dadaistischen Logik „[…] nach der man sich alles Triviale, den Schund und die Abfälle dieser Welt einverleibt, um dieser Assemblage anschließend eine neue Bedeutung aufzustempeln.“ Ferner wurde im Punk die Verwendung von Pseudonymen wiederbelebt. Wie bereits die Dadaisten (Dadasoph, Oberdada) oder die warhol’schen Superstars, legten sich die Punkprotagonisten (Billy Idol, Poly Stirene) Decknamen zu. Viele dieser Punk-Pseudonyme hatten ihren Ursprung in Beschimpfungen (Johnny Rotten, Rat Scabies) und wurden stolz zur Schau getragen. Man stellte sich damit bewußt ins gesellschaftliche Abseits: Nicht zuletzt wurde die eigentliche Bedeutung der Beschimpfung dadurch verdreht, so Savage. Vom Träger des Pseudonyms verlangte man, daß er die abschätzigen Definitionen der anderen auslebte. Ferner brachte das Zulegen einer neuen Identität die Feindseligkeit und die Inakzeptanz gegenüber der Gesellschaft zum Ausdruck.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß es zwischen beiden Bewegungen eine ausgeprägte geistige Verwandtschaft gab, wobei nicht vergessen werden darf, daß Dada, auch wenn weltweit einflußnehmend, in erster Linie eine künstlerisch-intellektuelle Angelegenheit war. Dada blieb immer auf Künstlerateliers beschränkt. Die Provokationen fanden fast ausschließlich im Séparée statt. Punk hingegen war betont öffentlich angelegt. Dada blieb hauptsächlich auf die Produzenten beschränkt, während die Reziptienten von der dadaistischen Geisteshaltung weitestgehend ausgeschlossen blieben. Eines scheint jedoch beiden Bewegungen immanent: Ihr provokativer und revolutionärer Gestus nutzte sich schnell ab!

6.3 Der Situationismus als Impulsgeber des Punk

„Das kommende Kunstwerk ist die Konstruktion eines leidenschaftlichen Lebens.“

Der Situationismus ging aus dem französischen Lettrismus (von ‚lettre‘, der Buchstabe) hervor. Als künstlerische Nachkriegskultur verkörperte der Lettrismus die autoritäre Re-stauration der bürgerlichen Gesellschaft sowie die Durchsetzungsgeschichte der fordistischen Modernisierung. Die lettristische Bewegung wurde von dem in Paris lebenden rumänischen Dichter Isidore Isou gegen Ende der 40er Jahre ins Leben gerufen. Isou vertrat zunächst die Auffassung, daß man die Gegenstände wieder in ihre Grundelemente zerlegen müßte, sowohl um daraus eine neue Schöpfung hervorzubringen als auch um die Dinge von falschen Ideologien freizulegen, die sie verschleiern: Selbst Worte sollten wieder in ihre einzelnen Buchstaben zerlegt werden, da sie vom modernen Leben in den Bankrott getrieben wurden. Ferner stellte Isou die Behauptung auf, daß einzig und allein die Jugend über das Potential verfüge, grundlegende gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Im Jahre 1948 beklebten Isou und seine Anhänger das Latin Quartier in Paris mit Plakaten, die jedoch von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurden. Man proklamierte: „120.000.000 JUGENDLICHE WERDEN DIE STRASSEN EROBERN; UM DIE LETTRISTISCHE REVOLUTION ZU MACHEN.“
Für die Lettristen war die Welt eine aus Entfremdung und Ideologien von Hierarchien und Bürokratien aufgebaute Struktur: Dementsprechend verachteten sie die ‚konsumorientierte Nachkriegsgesellschaft‘ samt ihrer ganzen ’sozialen Absurditäten‘, man sprach sich gegen ‚kulturelle Sterilität‘ und ‚massenproduzierte Banalitäten‘ aus. Oberstes Ziel, mit den Worten Marx gesprochen, war der „Umsturz aller Verhältnisse, die den Menschen zum erniedrigten und geknechteten Wesen machten.“ In den 1952 ausgearbeiteten Richtlinien forderte die I.L. unter anderem die ‚Weiterführung der kulturellen Subversion‘ und die ‚Ablehnung einer regessiven Moral‘. Geregelte Arbeit erachtete man als sinnlos, da sie zur Entfremdung und »Ich-Verlust« führe: „In der warenproduzierten Welt ist die Arbeit nicht auf ein frei gewähltes Ziel gerichtet, sondern muß von außen bestimmt werden.“ Im Sinne der Freiheit sollte der Mythos des Stars und des Idols dekonstruiert werden. 1952 störte man in einer Aktion die Pressekonferenz von Charlie Chaplin, die anläßlich seines neuen Films Limelight in Paris stattfand: „Wir glauben, daß der wichtigste Ausdruck der Freiheit darin liegt, Idole zu zerstören, besonders dann, wenn sie sich im Namen der Freiheit präsentieren“, verlautete die ersten Zeile der verteilten Flugblätter. Um sich den Regeln und Normen der herrschenden Kultur zu entziehen, entwickelten die Lettristen verschiedenste Kunst-Konzepte. Darunter eine Methode, die sie »urbanisme unitaire« (Psychogeographie) nannten und die dem Ziel folgte, die unmittelbaren Wirkungen der geographischen Umwelt auf das Gefühlsleben des Individuums zu erforschen: „Diese beinhaltete, daß man stunden-, tage- oder gar wochenlang durch die Stadt wanderte, eingekleidet in mit provokativen Parolen bemalten Klamotten – oft betrunken oder durch sonstige Mittel high. Die Idee dahinter war, die geheimen Gebiete und Netzwerke der Städte ausfindig zu machen und die unterdrückten Bilder der Begierde zu entdecken: Instanzen der Unordnung, Rebellion; Wundertaten, Wahnsinn, Schauspiel.“

Gegen 1957 zerbrach die lettristische Bewegung in verschiedene Splittergruppen, aus denen auch die Situationistische Internationale um den Wortführer Guy-Ernest Debord hervorging. Einige Mitglieder der nordeuropäischen COBRA-Künstlervereinigung um Asger Jorn schlossen sich der sich neuformierenden Gruppe an. Die S.I. führte im wesentlichen die lettristische ‚Wissenschaft zur Revolutionierung des Alltagsleben‘ weiter, wobei man sich ernsthafter dem Tagesgeschehen in Frankreich und der Welt zuwandte: Auf der theoretischen Ebene wurden die ‚marxsche Analyse der Verdinglichung und des Warenfetischismus‘ präzisiert und vertieft. Zudem rückte man die Kritik an der Realität in den Vordergrund. In der Theoriebildung wurde die S.I. unterstützt von etablierten Theoretikern wie dem surrealistischen Chefideologen André Breton oder dem marxistischen Philosophen Henri Lefebvre (einem der wichtigsten Theoretiker der französischen Linken), die in Verbindung zur Gruppe standen: In den Jahren von 1957-1971 avancierte die S.I. zu einer der radikalsten zeitgenössischen Kunstbewegungen und zu einem wichtigen Bestandteil der Neuen Linken. Mittels der Symbiose aus politischer Aktion, künstlerischem Experiment und theoretischer Kritik war es Ziel, die institutionalisierten Formen der Politik, Kunst und Theorie aufzudecken, die nach situationistischer Auffassung vollkommen in den massenmedialen Totalitismus integriert waren.
Neben politisch motivierten Aktionen, der Herausgabe einer eigenen Zeitschrift (internationale situationiste) sowie zahlreichen manifestartigen Publikationen, wurden die situ-ationistischen Slogans und Parolen zum wichtigsten Instrument, um Staat und Gesellschaft zu kritisieren. Typische situationistische Losungen sind kurz und einprägsam: ‚Lebe ohne Einschränkung oder tote Zeit‘; ‚Die Ware ist das Opium des Volkes‘; ‚Ich verstehe meine Begierde als Realität, weil ich an die Realität meiner Begierde glaube‘ oder ‚Das Verbieten ist verboten‘. Diese wurden an Häuserwände, in Metrostationen und über Manifeste und Flugblätter kommuniziert: „Unser Projekt ist nichts weiter als eine verführerische, subversive Neuformulierung des Offensichtlichen.“ An anderer Stelle heißt es: „Unsere Vorstellungen davon wie die Welt funktioniert, warum sie verändert werden muß, sind in allen Köpfen, und zwar als Gefühle, die in Ideen zu übersetzen niemand bereit ist, daher übernehmen wir die Übersetzung.“ S.I. Slogans sind, so Marcus, ein „[…] Paradoxon aus toter Rhetorik und Umgangssprache, das kurz vor der Unlogik haltmachte, eine noch während man sie hörte in eine Frage verwandelte Aussage.“

Ihren größten Triumph erreichte die S.I. im Jahre 1966, als eine situationistisch beeinflußte Studentengruppe an der Straßburger Universität die Mehrheit in der Studentenvertretung erlangte. Die konspirative Gruppe nahm Kontakt zur S.I. auf, um einen Ratschlag zu bekommen, was man denn mit dem zugebilligten Jahresbudget von 1,2 Millionen Franc anstellen könne, um möglichst viel Unruhe und Aufsehen zu erregen: „Wir haben ein Stück Macht, sagten sie; das wollen wir kaputt machen.“ Die S.I.-Zentrale in Paris lehnte zunächst ab, da man der Meinung war, daß jede Revolution von sich selbst ausgehen müßte. Später jedoch entwarf der Pariser Situationist Mustapha Khayati eine Broschüre, von der zunächst 10.000 Stück in bester Qualität gedruckt wurden. Die erste Zeile verlautete: „Ohne große Gefahr, uns zu irren, können wir behaupten, daß der Student in Frankreich nach dem Polizisten und dem Priester das am weitesten verachtete Wesen ist.“ Die Aktion wurde zum Skandal und zur Generalprobe für die Pariser Studenten-Unruhen, die im Mai 1968 kulminierten. Situationistische Parolen schienen wie geschaffen für diese Art von gesellschaftlicher Revolte. Charles de Gaulle verkündete im Juni 1968, nachdem die Beinahe-Revolution abgeklungen war, in bezug auf die S.I.: „Dieser Ausbruch wurde von einigen Gruppen provoziert, die gegen die moderne Gesellschaft revoltieren, gegen die Konsumgesellschaft, gegen die technologische Gesellschaft, ob kommunistisch im Osten oder kapitalistisch im Westen, […] von Gruppen, die ansonsten nicht wissen, was sie an die Stelle dieser Gesellschaft setzen würden, sondern an der Negation Vergnügen finden.“

Im Jahre 1972 wurde die S.I. nach mehreren internen Problemen und Debatten sowie zahlreichen Austritten und Zwangsausschlüssen von den beiden letzten verbliebenden Mitgliedern, Debord und Sanguinetti, aufgelöst.

6.3.1 Zur Theorie des Situationismus

„Das ganze Leben der Gesellschaften, in welchen die modernen Produktbedingungen herrschen, erscheint als eine ungeheuere Sammlung von Spektakeln. Alles was unmittelbar erlebt wurde, ist in eine Vorstellung entwichen.“

Einführend sei bemerkt, daß die Theorien des Situationismus angesichts ihres Detailreichtums, der schwierigen Nomenklatur sowie ihrer bewegten Argumentation nur schwer zusammengefaßt werden können. Insofern werde ich der Verständlichkeit halber nur einen Ausschnitt ihrer grundlegenden Ideen vorstellen, wobei ich mich im wesentlichen auf solche beschränken werde, die aus meiner Sicht in einer bestimmten Verbindung zum Punk gesehen werden können. Auf eine chronologische Unterscheidung der Theorien (zwischen L.I. und S.I.) werde ich verzichten, da, wie bereits angemerkt, die situationistischen Ansätze durch den Lettrismus schon weitestgehend formuliert waren.

Die ‚Gesellschaft des Spektakels‘ wurde in den 60er Jahren zum zentralen Begriff der S.I. für ein Verständnis der modernen Welt, die sich verselbständigt hatte. Die Theorie des Spektakels war zunächst eine kritische Betrachtung der Warentauschgesellschaft, eine radikale Kritik des Kapitalismus, in dem die bereitgestellte Warenwelt als totalitär empfunden wurde, indem sie warenförmig auf Freizeit und Unterhaltung Einfluß nahm: „Freizeitkultur schafft Langeweile, produziert sie, verkauft sie, streicht die Profite ein und investiert sie wieder.“ Das Spektakel beschreibt jedoch nicht nur den Mechanismus der Einbindung von Kultur in den Markt für profitable Zwecke, sondern auch die Vereinnahmung des Menschen inklusive seiner Sehnsüchte: „Im Spektakel ist Passivität zugleich Mittel und Zweck eines großen verborgenen Projekts, eines Projekts gesellschaftlicher Kontrolle. Unter den Bedingungen seiner speziellen Form von Hegemonie produziert das Spektakel natürlich keine Schauspieler, sondern Zuschauer: moderne Männer und Frauen, die sich begeistert alles anschauen, was man ihnen zum Ansehen vorsetzt. Es erzeugt Demokratien falscher Begierden: Man muß zwar nicht eingreifen, will es aber auch nicht, weil das Spektakel als Mechanismus gesellschaftlicher Kontrolle ein inneres Spektakel der Teilnahme, der freien Wahl aufführt. Wie eine avantgardistische Performance führt das Spektakel eine Ideologie der Freiheit auf.“ Im gesellschaftlichen Spektakel beherrscht die Ware zunächst »verdeckt« die Wirtschaft, um diese dann gesellschaftlich zu vereinnahmen: „Das Spektakel ist der Moment, in welchem die Ware zur völligen Beschlagnahme des gesellschaftlichen Lebens gelangt ist.“ Das Spektakel erzeugt insofern keine Individuen, sondern Produzenten, denen mittels fiktiver Bilderwelten eine falsche Form der Freiheit vorgeführt wird. Eine künstliche Freiheit, die Unzufriedenheit und Unglück hervorbringt: „Das Spektakel ist nicht ein Ganzes von Bildern, sondern ein durch Bilder vermitteltes gesellschaftliches Verhältnis zwischen Personen.“ Es ist eine „[…] ins Materielle übertragene Weltanschauung.“ Die warenlogische Vernetzung der Verhältnisse generiert somit »Zur-Ware-Werden« des Menschen. Das gesellschaftliche Spektakel wird als übergeordnete Kategorie zum Hauptfeind der situationistischen Theorie, von der sich ferner alle weiteren Ideen ableiten lassen.
Der zweite zentrale Begriff der situationistischen Theorie war der des »Alltagslebens«: Für Lefebvre, der der S.I. ideologisch nahestand, ist das alltägliche Leben die ständige Wiederkehr von ‚Belanglosigkeit‘, ‚Depression‘ und ‚Langeweile‘ unterbrochen von unsinnigen Sehnsüchten nach ‚Heldentaten, Abenteuer, Flucht, Rache… Freiheit‘. Die Situationisten gelangten, inspiriert durch die Ideen Lefebvres’, zur Auffassung, daß sich die Welt nur verändern ließe, wenn man den Menschen dazu bringen könnte, über eine grundlegende Veränderung des Lebens nachzudenken. Um diesen Zustand zu erreichen, sollte sich die Kunst mit dem Alltagsleben verbinden: „Jeder soll nach dem suchen, was er liebt und was ihn anzieht.“ Das Alltagsleben bzw. seine Revolutionierung wurden zum künstlerischen Gegenstand der S.I.: „Sie wollten die erste Revolution in die Wege leiten, die bewußt nicht aus einer Kritik am Leiden an der herrschenden Gesellschaftsordnung hergeleitet wird, sondern aus einer ‚totalen Kritik ihres Glücksbegriffes‘, einer in Taten manifestierten Kritik, einer neuen Praxis des Alltagsleben.“ Im situationistischen Sinne kann die gesellschaftliche (und damit auch die individualistische) Revolution nur herbeigeführt werden, indem die Begierden und Wünsche der Menschen nach Selbstverwirklichung und Freiheit geweckt werden: „Wenn die Revolution im Grunde im Begehren wurzelt, sein eigenes Leben zu schaffen, eine so tiefe und eindringliche Sehnsucht, daß ihre Verwirklichung die Schaffung einer neuen Gesellschaft erfordert, so vereinnahmt das Spektakel diesen Wunsch und verwandelt ihn in den, ein Leben so zu führen, wie es bereits existiert, nämlich in der sich ständig erneuernden Utopie des Spektakels.“ Die Vereinnahmung des revolutionären Impulses besetzten die Situationisten mit dem Begriff der »Rekuperation«. Die Rekuperation beschreibt das heranwachsende »Prinzip der Negation« innerhalb der herrschenden gesellschaftlichen Strukturen. Insofern wurde die bewußte Einführung der Negation in das gesellschaftliche Spektakel zum notwendigen Mittel, um es voranzutreiben und zu modernisieren, d.h. es wird rekuperiert. Die Situationisten strebten eine transformierte Welt an, welche sich in einem konstanten Status der permaneten Revolution und Erneuerung befinden sollte (eine Idee, die übrigens schon die italienischen Futuristen vorwegnahmen).
Um das Ordnungsgefüge zu transformieren, entwickelte die S.I. verschiedene Theorien der Praxis. Eine der grundlegendsten Strategien wurde die bewußte »Konstruktion der Situation«. Für die Situationisten sind Situationen konstruierte Ereignisse: „[…] Momente des Bruchs und der Beschleunigung. Die Revolution im individuellen alltäglichen Leben.“ Situationen an sich werden zunächst als nicht zufällige Momente des Alltags definiert, die den Individuen zwar zufallen, aber nicht zufällig sind. Die konstruierte Situation hingegen definiert sich durch „[…] die kollektive Organisation einer einheitlichen Umgebung und des Spiels von Ereignissen konkret und mit voller Absicht konstruierter Moment des Lebens.“ Primäres Ziel der konstruierten Situation ist, die Verdinglichung der warenförmigen Verhältnisse, zumindest für eine kurze Zeiteinheit, aufzubrechen. Die konstruierte Situation ist gekennzeichnet durch eine bestimmte Haltung während eines spezifischen bzw. geeigneten Zeitpunkts. Ist sie als Konstruktion wirkungsvoll, kann sie ihren Schauplatz verändern und gleichzeitig zulassen, daß sie sich selbst verändert. Sie integriert sich somit in das gesellschaftliche Spektakel, transformiert es, um es zu ihrem Bestandteil zu generieren: „Als ‚Situationen‘ konstruierte Momente lassen sich als Momente des Bruchs, der Beschleunigung betrachten, als Revolution im individuellen Alltagsleben.“ Eine weitere zentrale Strategie war das sogenannte détournement, die (mißbräuchliche) Zweckentfremdung. Der Begriff wird ferner übersetzt mit Umleitung, Mißbrauch, Verführung oder Entwendung. Letzteres beschreibt Vaneigem folgendermaßen: „Im weiten Begriffsinn bedeutet ‚entwenden‘ etwas global ins Spiel bringen. Die Entwendung (oder radikale Umfunktionierung) ist die Geste, mit der sich die spielerische Einheit der Lebewesen und der Dinge bemächtigt, die in ihrer Ordnung hierarchisierter Teilbereiche erstarrt sind.“ Die Zweckentfremdung beschreibt die »ästhetische Besetzung des Feindeslandes«, um sich dem Vertrauten zu bemächtigen um es in das Gegenteil zu verkehren; die »Politik des subversiven Zitats«. Der Perspektivenwechsel des Vertrauten konnte auf verschiedenen Ebenen stattfinden: „Zur ‚Reinvestition des Scheins in die Wirklichkeit‘ war die Benutzung jedes vorgefundenen Materials recht, um verdreht und mit unerwarteten Botschaften munitioniert zurückgespuckt zu werden: Comics, Filme, Fotoromane: Massenmedien-Guerilla…“
Das bereits angesprochene ziellose und forschende Umherschweifen (dérive) war ein weiteres Mittel der gesellschaftlichen Einflußnahme und ihrer Tranformation: Das Umherschweifen in beweglichen Räumen beschreibt Debord als die Balance „[…] zwischen Hingabe an eine Szenerie, indem man sich ohne festen Kurs dem Spiel der Umgebung aussetzt, und der bewußten Entwicklung eines Verhaltens, das sich der Außenwelt zugänglich macht; ein Verhalten, das den Raum findet, erkennt, sich schnell entscheidet und abwendet, um zu neuen Räumen zu gelangen.“

Die eigentlichen Ziele der situationistischen Arbeit lassen sich schwer bestimmen. Vieles war metaphysische Ironie, verbunden mit vollem Ernst. Man war sich der utopischen Vorstellungen bewußt – gleichzeitig aber von ihrer Wahrheit überzeugt. Eines scheint jedoch klar zu sein: Es ging um die wirkliche Befreiung des Individuums, befreit von der Langeweile des spektakulären Warenfetischismus: „Die wirkliche Vollendung des Individuums – auch in der von den Situationisten entdeckten künstlerischen Erfahrung – kann unmöglich ohne die kollektive Beherrschung der Welt geschehen: Vor ihr gibt es noch keine Individuen, sondern nur Gestalten, die mit den Dingen umgehen, die ihnen von anderen anarchisch gegeben werden. In Zufallssituationen treffen wir getrennte, ziellos herumziehende Individuen. Ihre voneinander abweichenden Gemütsregungen heben sich gegenseitig auf und erhalten ihre feste Umwelt der Langeweile aufrecht. Wir werden diese Bedingungen zugrunde richten, indem wir die Brandzeichen eines höheren Spiels an einigen Punkten erscheinen lassen.“

Die ersten Übersetzungen situationistischer Texte erschienen in England erst im Jahre 1974 und in Deutschland 1976. Die englischsprachige Anthologie wurde herausgegben von Christopher Gray (einem ausgeschlossenen Mitglied der englischen S.I.-Sektion), dem ideologischen Kopf einer post-68er-intellektuellen-Gruppe mit dem Namen King Mob sowie dem anarchistisch inspirierten Zeitungsverleger Jamie Reid unter dem verheißungsvollen Titel: Leaving the 20th Century: The incomplete Work of the Situationist International. Graphik und Design dieses Bandes, so Vermorel, ließen bereits deutlich die Bildsprache der Sex Pistols vorausahnen. Bis Mitte der 70er Jahre hatte die S.I. bestenfalls den Status einer subversiven Geheimkultur: „Nur wenige wußten von der Geschichte, ansonsten löste der Vorgang in der breiten linken und subkulturellen Öffentlichkeit der 70er Jahre bestenfalls ein kurzes Befremden aus, und bald schien es so, als gäbe es das Buch gar nicht.“ Obwohl die S.I. scheitern mußte, gelten heute ihre Ideen bei vielen Künstlern und Intellektuellen als zeitgemäße Formen subversiver Theorie: „Die Wirkung der S.I. bis in unsere Gegenwart ließe sich in unterschiedlichster Weise aufspüren, sei es bei dem mühevoll fröhlichen Baudrillard, sei es in der schnell verstaubten Punkbewegung, deren Manager McLaren einige Thesen der Situationisten auf englische Art zu Geld machen konnte…“

6.3.2 Zu den ideologischen Verbindungen zwischen Punk und dem Situationismus

„Dem ‚Punk‘ Ende der siebziger Jahre ist es gelungen, die Trennung von ‚Kunst‘ und ‚Politik‘ für einen Moment aufzuheben.“

In stilistischer Hinsicht nehmen die Lettristen die Punkästhetik inklusive des provokanten Habitus bereits in den 50er Jahren vorweg: „Stets bereit, sich Feinde zu machen und als unduldsam zu gelten, signalisierte auch ihre Kleidung die Ablehnung gängiger Modevorschriften. Die Haare ungekämmt, gelegentlich gefärbt, die Frauen schrill geschminkt. Die Kleider waren stets verschmutzt, wenn nicht sogar mit ihren Parolen beschmiert oder zerrissen. Drogen gehörten zu ihren ständigen Wegbegleitern, nicht selten bis in den Tod. Rauschtaten waren an der Tagesordnung.“ Eine konkret stilistisch-ästhetische Verbindung zwischen den Lettristen und dem Punk herzustellen, fällt schwer. Wie bereits ausführlich beschrieben, weist die englische Punkästhetik verschiedene Referenzen auf, da sie sich aus unterschiedlichsten Jugendstilen (vor allem dem New Yorker Bohemian-Punk) zusammensetzte.
In erster Linie war es das ideologische Gebilde der S.I., das McLaren adaptierte, um eine Situation der Rebellion und Unordnung zu erzeugen. Eine konstruierte Situation des Aufruhrs, die das System sowie das Alltagsleben der Menschen durch eine neue Form der Kritik und Haltung für eine gewisse Zeit(einheit) verändern sollte.
Büsser schreibt: „Als einen situationistischen Angriff auf die ‘Gesellschaft des Spektakels’, in der jeder Inhalt von oberflächlichen Zeichen eliminiert worden ist, muss auch die Frühphase von Punk begriffen werden.“. Wenn man so will, läßt sich Punk aus diesem Blickwinkel als eine Form der Alltagskunst im öffentlichen Raum interpretieren. Einerseits subversives Kunst-Projekt (angelegt auf der Ebene des Stils), das in soziale und urbane Räume vordrang. Andererseits radikale Haltung, die massenmedial kommuniziert wurde, um letzlich neue Funktions- und Bedeutungszusammenhänge zu konstituieren, ganz im Sinne der situationistischen Kunstdefinition: „Kunst im Verständnis der Situationisten war nicht etwas, was man erzeugt, es war eine Haltung, aus der heraus Situationen konstruiert werden.“
Die Idee der Zweckentfremdung (détournement) läßt sich für meine Begriffe am deutlich-sten in Verbindung zum Punk bringen, indem McLaren mit den Sex Pistols eine subversive Ware in das gesellschaftliche Spektakel einführte, um eine Art »Gegensprache« zu erzeugen. Die Einmischung in die Warenökonomie (Mode, Musik, Haltung etc.) bedeutete für McLaren einen direkten Eingriff in das gesellschaftliche Leben. Ein subversiver Akt, der jedoch auch an bestimmte gesellschaftliche Voraussetzungen (siehe 3.1) gebunden war: „Das détournement eines richtigen Zeichens zur richtigen Zeit und am richtigen Ort könnte ein Perspektivwechsel auf Massenniveau auslösen.“ Der Musiktheoretiker Werner Jauck schreibt in diesem Kontext: „McLaren ‚zeigte wie Gegenhaltung als Ware im Rockgeschäft als großer Schwindel verkauft wird‘, indem er die Benutzung des medialen Geschäfts mit der »Gegenhaltung« zu seiner Strategie machte. ‚Nicht die Medien benutzen Musikmachende, sondern Künstler benutzen die Medien und verkaufen extreme Gegenhaltungen über den Mechanismus ‚mediales Rockgeschäft‘ [der ansonsten in kontrollierender Weise Gegenhaltung zur Ware entkräftet]. In sezierender Art ist dieser Prozeß im Great Rock’n’Roll Swindle dokumentiert; das Dokument ist zugleich als Ware deklariert: eine doppelte Erhöhung oder die kunstgemässe Parallellführung der Theorie“. Auch Horne und Frith verweisen in ihrer Studie auf das Prinzip der mißbräuchlichen Zweckentfremdung: „And now, thanks largely to the Sex Pistols, their ideas are current in rock and roll circles. For example, the Situationist concept of ‚détournement‘, which is turning the establishment’s codes, forms and values (i.e. the hit parade) against itself, or notion of ‚recuperation‘ whereby the establishment (i.e. record companies) absorb criticism by patronising it, turning its negativ (i.e creative) value into positive (i.e. appreciative and celebratory) values.“ Bei genauerer Betrachtung läßt sich jedoch auch feststellen, daß McLaren und Reid den Situationismus auf ihre eigene Weise umsetzten: Sie „[…] ersetzten zweimal das Wort ‚gut‘ und zogen aus dem Ergebnis – ‚Was erscheint ist schlecht; was schlecht ist erscheint‘ – praktische Konsequenzen. Sie hatten die Auswertung der Presse, die auch schon für die S.I. sehr wichtig war, um sich den Effekt des Aktivismus im Nachhinein zu bestätigen, konsequent fortgeführt und die Nachrichten nicht als Verfälschung abgelehnt, sondern als ein Feld angesehen, auf dem man weiter einsetzen mußte.“ Die S.I. schien insofern vielmehr als gesamtheitliches Konzept, inklusive ihrer Lust an der gezielten, fast wissenschaftlich betriebenen Subversion, für McLarens Sex Pistols Pate gestanden zu haben. Solche leichtfertigen Adaptionen sind übrigens kein seltenes Phänomen in der Kunst- und Kulturgeschichte; manchmal sind sie sogar notwendig, um eine gewisse Breitenwirkung zu erzielen. Ferner weise ich nochmals darauf hin, daß sich linke Ideen gegen Mitte der 70er Jahre, vor dem Hintergrund der brisanten sozialen Situation in England, einer besonderen Beliebtheit erfreuten – und nicht von McLaren und Konsorten aus der Versenkung geholt wurden.
Abschließen möchte ich diesen Exkurs mit einer Textstelle des Situationisten Mustapha Khayati, die sich, meiner Auffassung nach, beispielhaft auf die Idee des Punk übertragen läßt: „Die radikale Kritik und die freie Neukonstruktion aller von der entfremdeten Wirklichkeit aufgezwungenen Werte und Verhaltensweisen sind sein [des Situationismus, Anm. O.S.] Maximalprogramm und die befreite Kreativität bei der Konstruktion aller Augen-blicke und Ereignisse des Lebens ist die einzige Poesie, die von allen gemacht wird, der Beginn einer großen revolutionären Fete. […] Das Spiel ist die letzte Rationalität dieser Fete, Leben ohne tote Zeit und Genuß ohne Hemmnisse sind seine einzig anerkannten Regeln.“

7 Subkulturen im Kontext medialer Prozesse

„Jede neue Subkultur etablierte neue Trends und bringt neue Klänge und Stile hervor, die in den entsprechenden Industrien zurückgeführt werden.“

Die Popularität aber auch die Entstehung subkultureller Phänomene war schon immer eng mit medialen Prozessen verbunden. Die Ursprünge finden sich hier vor allem in den 50er Jahren wieder, indem anhand rebellischer Ikonen wie Marlon Brando und James Dean der westlichen Zivilisation ein neues individualisiertes Lebensgefühl vermittelt wurde. Brando und Dean verkörperten seinerzeit, jeder auf seine eigene Art und Weise, den Protest gegen die autoritätsfixierte und gefühls- und körperfeindliche Erwachsenenwelt. Erst durch die Berichterstattung der Medien konnten diese (aufbegehrenden) Bilder in die breite Öffentlichkeit transportiert werden. Die mediale Konstruktion und Vermittlung solcher Archetypen wurden zu einem wichtigen Impuls in der Geschichte der Subkulturen: „In America, the first media celebration of the rocker or greaser was in the 1954 film The Wild One, in which Marlon Brando played a misunderstood youth leading a motor-cycle gang of leather clad kids who terrorise a small town. This film was the first attempt to spectacularise the subculture.“
Analog dazu entstand in Amerika und etwas später auch in England das, was wir heute Popkultur nennen. Sie entstand als Gegenentwurf zum traditionellen bürgerlichen Kulturgenuß und versprach eine neue Ästhetik von Lust und Vergnügen. Die Popkultur konstituierte sich insbesondere über eine auf Jugendlichkeit abgestimmte Kulturindustrie. Der Kulturbetrieb produzierte neue Bedürfnisse, um diese gleichzeitig über Produkte (Unterhaltung und Waren) zu befriedigen. Seine Aufgabe bestand im wesentlichen darin, Trends aufzuspüren und diese gegebenenfalls zu lancieren, um sie dann in Zusammenarbeit mit den Medien zu popularisieren und in massengefertige Waren zu verwandeln: Diese jugendspezifische Industrie, so Clarke, mag zwar einerseits einen natürlichen kulturellen Prozeß beinhalten. Andererseits aber ist sie ein echtes Netzwerk, eine Infrastruktur neuer Formen kommerzieller und ökonomischer Institutionen, bestehend aus kleinen Plattenläden, Aufnahmestudios, Boutiquen, Ein- oder Zweifrauen-Modeunternehmen, die als Komplex die Dialektik der kommerziellen »Manipulation« bestimmen. Die Mechanismen des kommerziellen Marktes werden dabei von Clarke weniger als eine Verschwörung, sondern vielmehr als eine »natürliche Funktion von Prozessen der bourgeoisen Waren- und Ideologieproduktion« verstanden. Die institutionalisierte Vereinnahmung gegenkultureller Formen und Haltungen vollzog sich bereits in den 50er Jahren im Rock’n’Roll (und noch davor) und wurde spätestens mit der Flower-Power-Ära Mitte der 60er Jahre zum großen kommerziellen Geschäft. Den Zyklus von subkultureller Opposition zu Entschärfung von Widerstand zu Vereinnahmung beschreibt Hollstein anschaulich an letzterer Bewegung: Neben den „[…] gegenkulturellen und gesellschaftlichen Ansätzen in der Hippie-Welt – insbesondere der Metropolen – etablierten sich bald unzählige Geschäfte und Unternehmen, die die Blumenkinder eher auszubeuten als zu unterstützen suchten. Eine ganze Industrie mit Postern, Protestköpfen, Schallplatten, Weihrauchstäbchen, Hippie-Kerzen, Gebetsschnüren, Talismanen, Kleidern und anderen Hippie-Utensilien entstand und entfernte sich immer mehr von jener Gemeinschaft, die Profit ablehnte und Liebe forderte. Die ‚love generation‘ mußte schmerzhaft erkennen, daß die Außenwelt sich als mächtiger zu erweisen begann als die blumenreiche Gegenwelt.“

In diesem abschließenden Abschnitt der Arbeit gehe ich näher auf das Spannungsfeld zwischen Subkultur und ihrer Vereinnahmung durch die Medien und Warenökonomie ein. Unter dem Begriff der Vereinnahmung wird im Zusammenhang von Subkulturen und Gesellschaft der Prozeß der Wiedereingliederung der Subkultur in die allgemeine Kultur verstanden. Die beiden primären Strategien der kulturellen Vereinahmung sind nach Hebdige zum einen die ‚Warenform‘ und zum anderen die ‚ideologische Form‘. In letztere fügt sich ferner auch der wissenschaftliche Betrieb ein. Insbesondere die Jugend- und Kultursoziologie der 60er und 70er Jahre leistete, wenn auch ungewollt, einen nicht zu unterschätzenden Beitrag, das subkulturelle Phänomen zu entmystifizieren und damit zu entkräften: Viele Devianz-Forscher gehen heute sogar davon aus, daß die klassischen Nachkriegssubkulturen als Gemeinschaften von Mythen-Konsummenten, insbesondere von den Mainstream-Medien als auch von den Subkultur-Theoretikern, mit-konstituiert wurden: „[…] als individueller Ausdruck des Anti-Establishment ist Subkultur stets durch Medien, Produktionsgesellschaften und Vertriebsstrukturen, also den Agenturen der kapitalistschen Kulturindustrie vermittelt.“ In diesem Zusammenhang drängt sich natürlich die Frage auf, wie innovativ das Konzept Subkultur im gesellschaftlichen Kontext überhaupt sein kann.

7.1 Punk und die Medien

„Der Widerspruch, an dem Punk zu Grunde ging, bestand in dem Versuch, Konsum und Medien von innen heraus zu kritisieren und verändern zu wollen, ein Versuch der zum Scheitern verurteilt war.“

Wohl keine andere Bewegung wurde in der Geschichte der Popkultur so deutlich von den Medien beeinflußt und bestimmt wie das Phänomen Punk. Schon vor dem ersten Auftritt der Sex Pistols waren sich McLaren und seine Clique im klaren darüber, daß eine skandalträchtige Medieninszenierung wichtigstes Instrument sein würde, um die Idee von Chaos und Unordnung zu verbreiten. Die schlechten sozialen Umstände und die psychologische Stimmung im Land taten ihr übriges, indem man fast symptomatisch auf die kolportierten Ereignisse um die Sex Pistols reagierte. Schnell verselbständigte sich das Medien-Spektakel, vorangetrieben von der Boulevard-Presse aber auch durch seriösere Blätter wie die Sunday Times. Insbesondere die leichte Identifizierung des Punk ermöglichte den Medien (ebenso wie den Marketingstrategen), Punk als rebellisches und groteskes Image zu nutzen: „Erst als man endeckte, daß in der Punk-Bewegung die politische Symbolik keinen revolutionären Anspruch hatte, konnte sie in den kulturellen Markt integriert werden.“ Neben den Nachrichtenmedien müssen ferner auch die rivalisierenden englischen Rockzeitschriften Sounds, Melody Maker und der New Musical Express genannt werden, die Punk als neuen Trend in ihren zahlreichen Artikeln als die langersehnte Wiederbelebung des Rock’n’Roll feierten. Die umfassende Popularisierung (die natürlicherweise auch durch das Radio und Fernsehen unterstützt wurde) führte schnell dazu, daß Punk seine besondere Anziehungskraft verlieren mußte. Die ursprüngliche Radikalität und Originalität des Punk verschwand zunehmend hinter einer Geste, die sich jedoch gut verkaufen ließ. Popularisierung ist immer damit verbunden, daß der Stil seiner Authentizität und seiner eigentlichen Botschaft beraubt wird: „Die Vermittlungs-Tätigkeit der Presse, die immer zugleich eine Enteignungs-Tätigkeit ist, besteht also in der Weitergabe verselbständigter Symbole: die Wirkung einer solchen Vermittlungs-Tätigkeit verstärkt sich um so mehr, je weiter sie sich vom Zentrum des wirklichen Geschehens entfernt.“ Die verfälschte mediale Vermittlung, d.h. die nicht mehr dem Sinnzusammenhang entsprechende Darstellung, läßt sich exemplarisch anhand der Rezeption des Punk im Ausland veranschaulichen: Insbesondere in der Bundesrepublik entstand, etwas zeitverschoben, ein völlig verzerrtes Abbild der Punk-Bewegung. Die Bilder, die in Deutschland durch die Gazetten (forciert durch internationale Fotoagenturen) wanderten, so Lindner, zeigten mit Vorliebe exaltierte Punkpärchen auf der Kings Road (dem Londoner Mekka der Mode-Punks) sowie Exotisches (Sicherheitsnadel im Mund) und Horrorhaftes (maskenhafte Schminke). Den deutschen Jugendlichen wurde ein völlig entstelltes Leitbild vermittelt, indem das Extreme durch die Berichterstattung zum Durchschnittsfall wurde und damit letztlich zum Modefall. Ferner wurden auch seriöse Magazine wie Stern oder Spiegel zum ungewollten Trendsetter: „Insbesondere in Mittelschichts-Kreisen hat der Spiegel mit seiner Punk-Titelgeschichte, vor allem aber mit seinem Titel-Bild, in das so alle Vorurteile und modische Extravaganzen eingehen, die mit Punk assoziiert werden, große Wirkung erzielt“. Auf den ersten Punk-Konzerten in Deutschland war es insofern durchaus üblich, daß das Publikum in stilistischer Hinsicht gänzlich dem Medien-Abbild entsprach, wohingegen das Bühnenoutfit der Band eher normal erschien. Aber auch im Mutterland England entwickelte sich Punk erst durch die Medien zu einem übergreifenden Stil – der wenig später einen wichtigen Impuls auf die Haute Couture ausüben sollte: „If you actually look at the photographs of the Sex Pistols gigs there is like not a punk in the audience, they have all got long hair. They have all got, like …if you look at the real photographs, nobody knew what a punk was, there was no uniform. There wasn’t a punk uniform.“ Bereits im Sommer 1977 war es möglich, Punk-Kleidung und Zubehör per Katalog zu bestellen. Zandra Rohdes, eine englische Modedesignerin, stellte im selben Jahr eine ganze Mode-Kollektion, vom Punk inspiriert, auf den Laufstegen vor. Die Zeitschrift Cosmopolitan entwarf im dazugehörigen Artikel das bestimmende Mode-Motto des Jahres: „Schockieren ist schick“.

7.1.1 Der Prozeß der Wiedereingliederung von Subkulturen am Beispiel der Medien

„Die herrschende Ideologie organisiert die Banalisierung der subversiven Entdeckungen und verbreitet sie im Überfluß, nachdem sie sie sterilisiert hat.“

Der subkulturelle Stil findet durch Medien und die Warenindustrie zunächst eine allgemeine Verbreitung in der Gesellschaft. Dieser Vorgang ist unlösbar mit der Entschärfung des subkulturen Stils verbunden, so Hebdige: „Nach und nach nimmt die Subkultur eine eigene, aber gut vermarktete Pose an, und ihr visuelles und verbales Vokabular wird vertrauter. In zunehmendem Maße kann man nun beginnen, die naheliegensten Bezugsrahmen aufzuspüren und ins Licht der Öffentlichkeit rücken. Und dadurch können sie letzten Endes alle – die Mods die Punks oder Glitter-Rock-Fans – vereinnahmt, eingereiht und auf der bevorzugten Landkarte problematischer sozialer Realität lokalisiert werden: bis zu jenem Punkt, wo Jünglinge mit Lippenstift nichts als ‚feingemachte Knaben‘ sind und das Mädchen mit dem Gummidress zur ‚Tochter von nebenan‘ wird.“ Durch die massenmediale Vermittlung verliert der subkulturelle Stil seine Besonderheit und damit die ursprüngliche Authentizität. Der rebellische Impetus verwischt und generiert zum Gewöhnlichen, wodurch er letztlich zu einem Bestandteil der umfassenden Kultur wird. Diesen Vorgang bezeichnet Hebdige als die ideologische Form der kulturellen Vereinnahmung: Sie beschreibt zunächst die Etikettierung und Umdefinierung der Abweichung durch die herrschenden Gruppen. Der Medienbetrieb nimmt hierbei eine Schlüsselfunktion ein; ferner die staatlichen Ordnungskräfte wie Polizei oder Justiz..

Sobald eine auffällige Subkultur in Erscheinung tritt, so Hebdige, wird sie »unausweichlich« von der Hysterie der Medien begleitet. Diese Hysterie besitzt in der Regel einen sehr ambivalenten Charakter, der zwischen Schrecken und Faszination sowie Entrüstung und Belustigung schwankt. Der Stil der Subkultur, ihr auffälligstes Merkmal, ist der ambivalenten Rezeption im besonderen Maße ausgesetzt, indem man ihn einerseits als neusten Trend in den Modemagazinen feiert oder ihn andererseits in den entsprechenden Kolumnen zum sozialen Problem erklärt. Barthes verweist in seiner Arbeit Mythen des Alltags auf zwei grundsätzliche Strategien, die sich in den Medien herausgebildet haben, um dem Abweichenden und Bedrohlichen zu begegnen: Zum einen wird das Bedrohliche verniedlicht, d.h. seine Unterschiedlichkeit wird schlichtweg geleugnet, wodurch das vermeidlich Andere banalisert, gezähmt und eingebürgert wird. Im zweiten Fall stempelt man das Andere zu einem bedeutungslosen Exoten ab, indem man es veralbert und zum „Kasperle der Gesellschaft“ abstempelt. Da sich niemand freiwillig der Lächerlichkeit preisgibt, verliert der Lebensstil an Attraktivität und Bedeutung für den Interessenten.
Um das Interesse des Publikums zu wecken, wählen die Nachrichtenmedien für ihre Publikationen insbesondere solche Aspekte eines Stils aus, die nach den Vorstellungen der dominanten Kultur als besonders signifikant erscheinen. Dem Publikum werden dabei meist spezifische und auffällige Konnotationen eines Stils präsentiert, wodurch ein bestimmtes meist bösartiges Image der präsentierten Subkultur geschaffen wird. Die von den Mainstream-Medien geschürte Panikmache (moral panic) erzeugt für den potenziellen Konsumrebellen ein zentrales Identifikationsangebot. Mit der zunehmenden Sichtbarkeit und Bekanntmachung eines Stils betreiben die Medien insofern eine self-fulfilling prophecy, indem immer mehr Jugendliche von einem Kult angezogen werden, der in den Presseberichten unter reizvollen Bedingungen beschrieben wird. Die Medien produzieren durch ihre Vermittlungsarbeit immer neue Interessenten (Mythen-Konsumenten) für einen bestimmten subkulturellen Stil, ohne daß möglicherweise besondere potentielle Verbindungen zur Wertewelt der eigentlichen Subkultur bestehen. Der ursprüngliche Lebensstil der originären Subkultur beginnt damit zunehmend undeutlicher zu werden: Die Subkulturzugehörigkeit, so Lindner, „[…] ist dann nicht mehr Ausdruck eines Aufbegehrens, sondern reiner Manierismus.“ Durch die Öffnung des subkulturellen Stils werden seine Konturen unschärfer. Die verwertbaren Elemente des subkulturellen Stils können nun, meist in modifizierter Form als Ware, aber auch als Haltung in das Feld der Massenkultur einfließen: Die Medien dokumentieren damit nicht nur den Widerstand von Subkulturen, so Hall, sondern „[…] passen ihn auch in den vorherrschenden Bedeutungsrahmen ein.“
Lindner veranschaulicht den oben beschriebenen medialen Vereinnahmungsprozeß anhand eines positivistischen Modells folgendermaßen: Erster Schritt: „Der Forscher identifiziert die verschiedenen jugendlichen Subkulturen mittels Addition der Elemente ihres Stils, z.B. The Who, Small Faces + Motorroller + Parka + smarte Frisur + speed = Mod. Zweiter Schritt: „Verbreitung der Arithmetik des Stils, zumeist ohne Berücksichtigung der sozialen und historischen Bezüge, durch Medien“. Dritter Schritt: „Werbeagenturen übernehmen diese medial verbreitete Arithmetik des Stils.“

7.1.2 Zur Vereinnahmung von Subkulturen durch die Warenindustrie

„Kerouac hat eine Million Cafe-Bars eröffnet und eine Million Levis an Männlein wie Weiblein verkauft.“

Die Wiedereingliederung der Subkultur durch die Warenform beschreibt die Verwandlung der subkulturellen Zeichen in massenhaft produzierte Gegenstände. Eine Parallele zur ideologischen Form ist der Warenform offensichtlich, indem sich alle Aktivitäten darauf konzentrieren, den subkulturellen Stil bekannt zu machen, um anschließend die spezifischen Gegenstände des Stils über den Markt der umfassenden Kultur zuzuführen. Ebenso wie die ideologische Form, bewirkt die Warenform die Generalisierung und Reduzierung des subkulturellen Stils, indem die symbolischen Elemente ihre anfängliche integrale Beziehung zu einem spezifischen Lebenskontext verlieren: Beide Formen der Vereinnahmung – die semantisch/ideologische und die reale/kommerzielle – treffen in der Warenform zusammen. In beiden Fällen, so Hebdige, werden die subkulturellen Neuerungen ihrem privaten Zusammenhang entnommen, werden kodifiziert, verständlich gemacht und zum öffentlichen Eigentum ernannt. Der subkulturelle Stil wird dadurch von seinen ungesunden Konnotationen befreit und für den öffentlichen Markt konsumierbar: „Vom Standpunkt der Subkultur betrachtet, die den Stil schuf, existiert er als totaler Lebensstil; durch den kommerziellen Nexus wird er in einen neuen Konsumstil verwandelt.“ Oder mit den Worten Lefebvres gesprochen: „Was gestern noch diffamierte, wird heute zu Konsumgütern; der Konsum verschlingt so, was einmal Bedeutung und Richtung geben sollte.“ Das Protest- und Widerstandspotential wird somit vom kapitalistischen System aufgesaugt und umfunktioniert. Das liegt zwar unmittelbar in der Natur der kapitalistischen Ideologie, gleichzeitig aber auch am Wesen des subkulturellen Protests. Denn subkultureller Protest ist wie gezeigt wurde, in der Regel nur ein symbolischer Akt, ein Scheinprotest: „Widerstand gegen den Kapitalismus, der sich nicht gegen die Wurzeln dieser Gesellschaft richtet, kann diesem Schicksal nicht entgehen.“

Sicherlich erscheinen die oben angeführten Bemerkungen zur kulturellen Vereinnahmung durchweg negativ, indem das Kulturell-Originäre durch kapitalistische Marktprinzipien zerstört wird. Das liegt, wie leicht zu erkennen ist, vor allem daran, daß diese Betrachtungen unter dem Einfluß marxistischer Gesichtspunkte entstanden sind. Dennoch denke ich, daß solche Herangehensweisen auch in der heutigen Zeit durchaus vertretbar sind, um bestimmte Prozesse zu analysieren bzw. zu hinterfragen. Viele kulturelle und gesellschaftliche Mechanismen haben sich im Zuge der kapitalistschen Ideologie, wie Althusser sagen würde, fast unbewußt verselbständigt. D.h. sie erzeugen eine Realität, die uns als gegeben erscheint. Nichtsdestotrotz darf bei solchen Analysen nicht außer acht gelassen werden, daß kulturelle Vereinnahmungsprozesse auch neue Impulse in den gesellschaftlichen hegemonialen Rahmen einführen: Ideen und Formen, die neue kulturelle Freiräume schaffen, Formen der Toleranz fördern, andere Denkweisen zulassen aber auch neue ästhetische Möglichkeiten in Kunst und Design ermöglichen.

Das bedeutet auch, daß die Idee des Punk als Anti-Haltung trotz ihrer gesellschaftlichen Inkorporation weiterhin Bestand haben wird: Als Synonym und Symbol für jugendliche Unzufriedenheit, Rebellion und Störung der öffentlichen Ordnung. Gleichermaßen läßt sich dem gegenüberstellen, daß sich Punk, »als die vermeintlich subversivste aller Subkulturen«, trotz rebellischer Geste und Provokation schnell als geplanter Verkaufserfolg und Reklame entpuppte.

8 Schlußbemerkungen

„Die Fähigkeit von Subkulturen, sozialen Wandel zu provozieren oder ihn zumindest zu projektieren, wird vollends absorbiert durch Strategien des Inszenierens.“

Abschließend möchte ich näher einer Frage nachgehen, die ich bereits in der Einleitung angesprochen habe: Sind subkulturelle Gruppierungen, so wie sie in dieser Arbeit vorgestellt wurden, unter den heutigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen überhaupt noch möglich?
Zunächst ist einmal festzustellen, daß der Subkulturbegriff, so wie er hier beschrieben wurde, spätestens seit den 80er Jahren zu einem bequemen Catch all-Begriff generieren mußte: Dies wird vor allem in den Medien reflektiert, die heute eher hilflos als konstruktiv die mittlerweile unüberschaubare Vielzahl heterogener Subströmungen in der stark ausdifferenzierten hybriden Mainstreamformation zu erfassen versuchen. Auch im wissenschaftlichen Betrieb wird der Subkulturbegriff heute eher zurückhaltend benutzt, da er sich nicht mehr ohne weiteres an ältere Theorietraditionen anschließen läßt und damit zunehmend an analytischem Aussagewert verliert.

Die Gesellschaft hat sich in den modernen westlichen Staaten innerhalb der letzten 20 Jahre deutlich von einer eher homogenen zu einer pluralistischen verschoben, in der sich Stile und Ideen zunehmend miteinander vermischten: Der Pluralismus der Oberflächen-Buntheit wie ihn Welsch beschreibt, führt in seiner Potenzierung zu Indifferenz und Beliebigkeit, d.h. auch zur Uniformierung diverser Erscheinungsformen. Die Ankurbelung des Oberflächen-Pluralismus durch postmoderne Uniformierungsprozesse führt letztlich zur Tilgung gesellschaftlicher Differenz. In diesem Sinne wird auch eine klare kulturelle Grenzziehung und Definition der Subkultur immer problematischer: Der Jugendsubkulturbegriff löst sich im Zuge der gesellschaftlichen Indifferenzierung „[…] in eine Heterogenität jugendkultureller Phänomene und deren Stilsegmentierungen und –differenzierungen auf.“ Der Stilpluralismus erschwert aber nicht nur eine wissenschaftlich verifizierbare Einordnung subkultureller Phänomene, sondern verhindert letztendlich auch ihre Herausbildung.
Lawrence Grossberg macht das Verschwinden subkulturell kodierter Formationen (am Beispiel der USA) in der allgemeinen Durchsetzung des neoliberalen Establishments fest: Das neoliberale Establishment, als zeitgemäße Variante der Hegemonie, läßt nach seiner Einschätzung keine normative Mainstream-Formation mehr zu. Aufgrund der fehlenden homogenen Einheit finden subkulturelle Gruppierungen keine Konzepte mehr, sich stilistisch aber auch ideologisch von der umfassenden Kultur abzusetzen. Die Differenzbemühung wird demzufolge obsolet. Dieses Bild läßt sich auch auf andere moderne Gesellschaftssysteme, wie England, Frankreich oder Deutschland übertragen. Die Technokultur (ein in erster Linie deutsches Phänomen), die sich als die größte Jugendbewegung aller Zeiten versteht, reflektiert den neoliberalen Gesellschaftsentwurf meiner Ansicht nach beispielhaft. Im Unterschied zu den klassischen Nachkriegssubkulturen hat die Technokultur nicht das Bedürfnis, sich von der umfassenden Kultur abzugrenzen. Sie produziert keine bestimmte Haltung und ist auch nicht an eine bestimmte Klasse gebunden. Stilistisch ist sie äußerst heterogen; verfügt demnach auch über keine festgelegten Kodes: „Im Techno sind Symbole jeder Art sinnentleert und beliebig geworden; gleichgültig bleibt dabei, ob es sich um Hammer und Sichel, Peace-Zeichen, rote Herzchen, oder hakenkreuzähnliche Ornamente, oder schließlich die Markenembleme des Kapitalismus handelt.“ Als offener Text ist die Technokultur als neue »junge Freiheit« eine Projektionsfläche unterschiedlichster Positionen. Systemspezifische Aspekte wie Konsumzwang oder Vermarktungsstrategien werden nicht in Frage gestellt. Oftmals kommen die Vermarkter aus der Szene selbst. Die Technokultur scheint vollends mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu kooperieren und wird somit, auf fast natürliche Art und Weise, zu einem festen Bestandteil der Gesellschaft – als ihr jugendliches Spiegelbild.

Das rebellische Moment der Nachkriegssubkulturen ist im Zuge der Modernisierung, Flexibilisierung und Anpassungsfähigkeit des Systems zur Doktrin des Warenkapitalismus geworden: „Alle Rebellion bestätigt in dem Moment, wo sie die Form der Ware oder Kaufentscheidung annimmt, die Logik einer Kulturindustrie, die scheinbar niemanden mehr ausschließt, weil sie auf der ständigen Suche nach neuen Märkten ist. Noch das abseitigste Bedürfnis kann mittlerweile befriedigt werden, ganz gleichgültig, auf welchen Inhalt es sich richtet.“ Während dissidente Lebensentwürfe, wie noch bei den klassischen Subkulturen, mit gesellschaftlichen Sanktionen belegt wurden, ist das jugendliche Innovationspotential und der rebellische Impetus heutzutage nicht mehr nur Objekt, sondern gleichzeitig auch Motor einer gigantischen Medien- und Vermarktungsindustrie: „Mittlerweile fungiert Differenz anstelle von Anpassung als Triebfeder des postmodernen Konsums und die Erzeugung von Differenz wird dazu operationalisiert, die hegemonialen neoliberalen Ideologien unter der Hand zu legitimieren.“ In diesem Sinne haben sich im Zeitalter postmoderner Kulturproduktion auch die Mechanismen der Generierung subkulturähnlicher Phänomene verlagert. Subversive und innovative Ideen gedeihen heute immer weniger an den sogenannten ‚Graswurzeln‘, sondern entstehen innerhalb kultureller Netzwerke, die auf fast natürliche Weise in Verbindung zur kulturellen Industrie stehen. Weinzierl spricht in diesem Kontext vom subkulturellen Protest in Zeiten des Pop-Entrepreneurs: Die neuen Pop-Entrepreneure „[…] werden vom Mainstream einerseits als Avantgarde der gesellschaftlich erwünschten Flexibilisierung sowie als kreative Zellen benötigt, andererseits wegen ihres kritischen Potentials argwöhnisch beobachtet und gesellschaftspolitisch mit Repressionen überzogen. Der kulturelle Innovationsanspruch innerhalb der Gesellschaft, lange Zeit von um Differenz ringenden Subkulturen, hat sich von den (Mythen-) KonsumentInnen zu ProduzentInnen, die in Netzwerkkonstellationen der Kulturindustrie zuarbeiten, verschoben.“ Ferner führt Weinzierl an, daß die historischen Subkulturen wie Mods, Punks oder Teds zwar in translokalen Verbänden weiterexistieren, es sich dabei aber eher um rurale und unzeitgemässe Formationen handelt, die kein Innovationsanspruch besitzen.

Um der problematischen Terminologie des Subkulturbegriffs zu entgehen, bezeichnet man die zeitgemäßeren Erscheinungen (unter anderem) als Substreams, Subszenen, Popkulturen, Subszenen, Neo-Tribes, Channels und Sub-Channels usw. Letztendlich jedoch, so hat es bei genauerer Betrachtung den Anschein, ist der (romantische) Grundgedanke des Subkulturkonzepts derselbe geblieben: Nämlich die Idee vom sozialen und ästhetischen Wandel, antizipiert von spezifischen Teilkulturen, die bestimmte Ideen aus dem Feld der Massenkultur entnehmen, diese modifizieren, um sie anschließend wieder zurückzugeben. Dennoch läßt sich feststellen, daß die zeitgemäßen Varianten der Subkultur, die Subszenen (oder wie auch immer), im Unterschied zu ihren klassischen Vorläufern im allgemeinen heterogener und weniger gruppenspezifisch auftreten: Darüberhinaus sind sie nicht an eine bestimmte Klasse gebunden; ethnisch in der Regel stärker durchmischt; weniger lokal gebunden, und oftmals existieren sie nur als lose, temporäre Netzwerke. Ferner ist es durchaus möglich, mehreren Subszenen gleichzeitig anzugehören. Stilistisch als auch ideologisch sind die zeitgemäßen Subszenen zudem weitaus weniger von der hybriden Massenkultur abgeschottet, als ihre historischen Vorläufer (von der eher monolithischen Gesellschaft).

Abschließen möchte ich diese Arbeit mit einer Textstelle aus Savages’ England’s Dreaming, um wieder zur Idee des Punk zurückzukommen. Zu einer Idee, die auch in ferner Zukunft noch als Vergleich dienen wird, um rebellische Gesten der Jugendkultur zu verorten: „Kurt Cobains Selbstmord im April 1994 war ein Teil – glaubt man seinem Abschiedsbrief – des ultimativen Gesetzes der Punk-Verlierer und trug deren Handschrift. Seit seinem Tod hat Rock weitestgehend versucht, progressive Politik, soziale Konfrontationen und persönliches ‚die Wahrheit sagen‘ zu umgehen. Mit Nirvana und nachfolgenden 90er Punk-Poppers wie Green Day endet der direkte Einfluß des Punk (Musik und Ideologie) auf den Pop-Mainstream. Punk bleibt als Genre. Man kann vielleicht auf den Punk bei Eminen verweisen (gebleichte, schlechte Haltung); oder auf Madonna (weibliche Autonomie und untersuchende Sexualität); Oasis; Public Enemy (sozialkritisch und praktische Autonomie); Rage against the Machine (Agitpop); Manic Street Preachers (früher Mist und Pro-Situ-Sprüche); Elastica; Blink 182 und die Bloodhound Gang (Schocktaktik, anstößiges Draufgängertum); sogar die Spice Girls (Girl Power). Aber das ist ungefähr so, wie zu versuchen, den Einfluß der Beatles in der Popgeschichte zu verfolgen. Punk und die Sex Pistols sind jetzt Geschichte – bis die nächste Truppe von Schreiern daherkommt, um dieses Vierteljahrhundert gesammelter Emotionen zu sprengen.“                                       (John Savage)
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The Stranglers: The Collection 1977-1982: Liberty-United Records (UK) Ltd., 1982.

He, he, Sie junger Mann
Dada ist keine Kunstrichtung
(Dadaistischer Slogan)

Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere, daß ich die vorstehende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe angefertigt und mich anderer als der im beigefügten Verzeichnis angegebenen Hilfsmittel nicht bedient habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus Veröffentlichungen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Olivier Schiewe

vorgelegt von:
Olivier Schiewe
Klostergang 14, 21335 Lüneburg
Matrikelnummer: 975915
Erstgutachterin: Dr. Carola Schormann
Zweitgutachterin: Dr. Monika Burzik

2 Kommentare

  1. Eva Mertens sagt:

    Hallo Olivier,

    ich schreibe gerade an meiner Staatsexamensarbeit zum Thema Manga- und Animeszene bzw. die Fans der Szene. Ich finde deine Arbeit gut und hätte sie gerne im Kontext Jugendszeneforschung eingebracht. Leider fehlen in deiner Arbeit die Literaturangaben im Text bzw. in Fußnoten, weshalb es etwas schwierig ist, dich zu zitieren, Das finde ich echt schade. Vielleicht solltest du dir überlegen, ob du es nicht noch nachholst (denke an den lieben Gutenberg).

    Liebe Grüße
    Eva Mertens

  2. Olivier sagt:

    Arbeit mit Quellen gibt es bei der Uni Lueneburg, auch als Fernleihe und gleichnamigem Titel und Autor. Gruss OLivier

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