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4. Masuleh – Frauen im Iran

Ich lernte Mari in Masuleh in den grünen Bergen im Nordwesten des Iran kennen. Sie managte die drei Apartments, die ihr Vater vor einigen Jahren errichtete und wenn man so will die Familie mit dem Notwendigsten versorgte. Sie war hübsch, hatte eine fröhliche Art, war ledig und unerfahren. Mari sprach wenig Englisch. Immer wenn es etwas zu klären gab trug sie bereits das Wörterbuch unterm Arm. Wenn ich dann so auf meinem kleinen Balkon saß und die Gitarre spielte, lauschte sie andächtig unten im Hof und nuschelte unentwegt „very very good“!

dscn0319In den wenigen Tagen, die ich hier in diesem kleinen Bergdorf verbrachte war in Maris‘ Augen alles immer „very very good“. Mein Name, dass ich aus Deutschland kam, die Spagetti die ich kochte, dass ich keine Kinder hatte und vor allem dass ich nicht verheiratet war – eben einfach alles! Besonders mein MP3 Player hatte es ihr angetan. Die Musik die sich darauf befand war schließlich „very very good“. Das machte mich dann doch etwas stutzig, denn eigentlich hätte ihr meine Musik aus ihrem Kulturverständnis heraus nicht gefallen dürfen. Hatten doch schon viele Westeuropäer Probleme mit Gruppen wie Radiohead, Belle & Sebastian oder was sich sonst noch so auf dem Player befand.

Als ich gestern Probleme mit dem Wasserboiler hatte, bat ich sie zu mir in meine Behausung herauf. Während sie mir die Zündvorrichtung erklärte, kam sie mir für iranische Verhältnisse ungewöhnlich nah. Ich hatte das Gefühl, dass ihr Körper zitterte. Auch mich durchlief ein leichter Schauer. Verlegen zupfte sie ihr Kopftuch zurecht und lächelte mich mit ihren großen schwarzen Augen an. Gab es für so etwas im Iran schon die Haftstrafe? Ich wusste es nicht? War da nicht vor einigen Jahren dieser deutsche Geschäftsmann, der nach einer Affäre mit einer Iranerin nur knapp der Todesstrafe entronnen war?

Diese recht harmlose Angelegenheit zwang mich zu einem  ernsteren Nachdenken. Ich empfand plötzlich Mitleid mit Mari und allen iranischen Frauen, die sich schon ab ihren neunten Lebensjahr ein Kopftuch tragen  mussten. Nur um das männliche Geschlecht nicht übermäßig zu strapazieren – so steht es zumindest im Koran?! D.h. keine männliche Berührung, keine Umarmung oder einen Kuss bis zur Heirat. Wie sehr befanden sich doch die kulturellen und politischen Regularien der islamischen Welt im Widerspruch zum menschlichen Trieb oder nennen wir es einfach zur menschlichen Natur! Wenn man so will nichts anderes als eine akzeptierte Form der Freiheitsberaubung. Die kleine Mari war ja immerhin schon 23 Jahre alt, d.h. spätestens seit ihren 16. Lebensjahr spürte sie eine Form des Verlangens ohne eine Möglichkeit der Erwiderung zu erhalten.

Ich gehe mal einfach davon aus, das Verlangen hierzulande nicht anders geartet sein dürfte, als bei uns im Westen?! Oder lässt sich Verlangen etwa auch politisch regulieren? Die kleine Mari wird also aus meiner Sicht bis zu ihrer Heirat ihrer besten Jahre beraubt. Und das nur, weil ein gewisser Herr Khomeini das im Jahre 1979 so festlegte und die politische Elite des Landes dieses altertümliche Konzept bis heute unverändert lässt!

Die iranischen Männer hatten es da schon etwas leichter, obwohl es auch ihnen nicht einfach gemacht wurde. Die Sittenpolizei hatte ihre Augen schließlich überall, damit die Spielregeln des Ayatollas nicht verletzt wurden. Auch wenn es verboten war in den Medien eine Frau ohne Kopftuch abzubilden, hatten fast alle Maenner die ich bisher kennengelernt habe, 1-2 Sexclips auf ihrem Handy abgespeichert. Diese wurden dann gerne prahlerisch unter Männerwelt herumgezeigt. Näherte sich bei solch einer Zurschaustellung unerwartet ein weibliches Wesen, wurde sofort auf den neusten persischen Popschmachtfetzen umgeswitcht und mann grinste sich die Unschuld ins Gesicht. Die Frauen sollten schließlich züchtig bleiben und nicht verdorben werden!

Das Handy verhalf aber der iranischen  Gesellschaft auch zu einer  Nische der Freiheit im überregulierten Staat – was den Mullhas gar nicht schmecken konnte. Da es Frauen und Männern gesetzlich verboten ist, untereinander Kontakt aufzunehmen wenn sie nicht verheiratet sind, ermöglichte die neue technische Errungenschaft immerhin Möglichkeiten den unterschiedlichen Geschlechtern beim Vorbeigehen schnell mal die Telefonnummer auszutauschen. Gegen solch eine Technologie waren selbst die wachsamsten Sicherheitsorgane machtlos.

Wie in vielen anderen islamischen Ländern gehen auch im Iran viele junge Männer zu Prostituierten, um ihre Unschuld zu verlieren. Unter den wachsamen Augen der Ordnungspolizei ist ein solcher  Besuch bei einer Prostituierten eine überaus aufwendige, gefährliche als auch teure Angelegenheit. Er verlangt sorgfältige Planung, Organisation und Geschick. Man wird um Allah zumindest etwas milde zu stimmen, sogar vor dem Akt verheiratet um gleich danach wieder geschieden zu werden – um sich wenigstens halbwegs auf legalem Terrain zu befinden.

Ich habe mir solch ein Unterfangen hier und da mal schildern lassen. Das ganze schien mir so Aufwendig und Gefährlich, dass es mich von der Logistik her an einen Überfall auf eine Bankfiliale einer kleineren deutschen Samtgemeinde erinnerte. Aber was tut Mensch nicht alles um seine Instinkten und Trieben zu folgen – und wenn die Obrigkeit noch so wachsam ist!

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